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Rabinovici, Doron

Rabinovici, Doron

Titel: Rabinovici, Doron Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anderrnorts
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geraten. »Klausinger
behauptet, das Zitat, das er in seinen Text eingebaut hat, stamme von Ihnen
höchstpersönlich.«
    »Wie?«
    »Ja. Dieser israelische
Intellektuelle, den er erwähnt, sollen Sie sein.« Ethan Rosen spürte, wie ihn
eine Hitzewelle überrollte. Ihm fiel ein, daß er vor längerer Zeit auf
hebräisch gegen die Gruppenreisen nach Auschwitz polemisiert hatte. Kein
Generalangriff, aber ein deutliches Statement innerhalb eines längeren
Beitrags.
    Kurz streifte ihn die
Erinnerung an einen Alptraum, der ihn nachts immer wieder heimsuchte. Er wurde
darin eines längst vergessenen Mordes überführt, einer Schuld, die aus einem
anderen Leben zu stammen schien.
    »Ich kann es mir auch nicht
vorstellen. Klausinger sagte, er hätte Sie nicht genannt, weil ihm Ihr Name
bisher kein Begriff gewesen sei. Er wußte nicht, daß Sie auch in Osterreich
leben.«
    »Woher hat er dann das Zitat?«
    Sammler nannte eine
israelische Zeitung, deren englische Ausgabe im Internet erschien, und nun kam
Ethan ins Stammeln und Stottern. Er halte es für möglich, obgleich es verrückt
klinge, er sei sich sogar ziemlich sicher, vor fünf Jahren in diesem liberalen
Blatt, das in Tel Aviv erscheine, ähnliches geschrieben zu haben. Er könne also
nicht ausschließen, jener Intellektuelle zu sein, auf den sich Klausinger berufen
habe.
    Fred Sammler atmete tief
durch. »Also Moment. Nur um recht zu verstehen. Vor fünf Jahren schrieben Sie
gegen diese Jugendreisen, also auch gegen das Projekt Ihres Freundes Dov
Zedek, regten sich über, wie heißt es noch, Lagerfeuerromantik im Schatten des
Schornsteins auf, und nun werfen Sie Klausinger Antisemitismus vor, wenn er
dasselbe schreibt?«
    »Antisemitismus? Nein, das
habe ich explizit nicht getan.«
    »Na, aber indem Sie es so
explizit nicht taten, machten Sie es implizit doch.«
    »Was? Dann hätte ich es Ihrer
Meinung wohl explizit tun müssen, um es implizit zu unterlassen?«
    »Wen interessiert denn meine
Meinung? Ich sammle bloß die der anderen. Wollen Sie sich zu dem Widerspruch
in Ihren beiden Texten äußern?«
    »Ich sehe eigentlich gar
keinen Widerspruch«, flüsterte Ethan.
    Um so besser, befand der
Redakteur, dann solle er seine Position in einem weiteren Artikel präzisieren.
In den nächsten Tagen wolle er zunächst die anderen Standpunkte drucken, doch
dann, Anfang nächster Woche, bekäme Ethan wieder Gelegenheit, sich zu äußern.
    Nach dem Ende des Gesprächs
überwältigte Ethan die Scham. Er flüchtete ins Institut. Er kaufte die Zeitung.
Die Straßenbahn ratterte heran. Im Waggon ein Betrunkener. Die
Lautsprecherstimme tönte verzerrt, sagte den nächsten Halt an. Er schlug das
Blatt auf, suchte seinen Artikel, sah den Titel, sah den Vorspann und erschrak. Tradition
der älplerischen Ignoranz. Jedes einzelne der Wörter kam in seinem Kommentar vor,
doch nicht in dieser Kombination.
     
    »Sag, was hast du eigentlich
gegen den Kollegen Klausinger?« Professor Wilhelm Marker, Institutsvorstand,
Philosoph und Medientheoretiker. Die Frage war sein Gruß. Er kenne Klausinger
nicht, antwortete Ethan, aber Marker grinste seifig, als bewundere er den
Kollegen für eine freche Lüge. »Stell dich doch nicht so an. Mir kannst du es
ja sagen.«
    Klausinger habe vor einigen
Monaten hier im Institut einen Vortrag gehalten. Es sei um die kulturelle
Geographie in Berlin gegangen. Ob Ethan sich nicht erinnere. Klausinger habe
mit Henri Lefebvre argumentiert. Er wisse ja, worum es da gehe. Kein Raum sei
unschuldig.
    »Lefebvre kenne ich,
Klausinger nicht. Kein Raum ist unschuldig, aber ich bin es schon, denn ich
habe den Vortrag nicht besucht.«
    »Ist schon recht«, meinte Marker,
er verstehe ja Ethans Standpunkt. Klausinger habe mit seinem Kommentar übers
Ziel hinausgeschossen, hätte bei diesem Thema sensibler formulieren müssen,
aber in einem Punkt müsse er widersprechen. Klausinger, dafür könne sich Marker
verbürgen, sei kein Antisemit.
    »Ich habe doch explizit
geschrieben, nicht zu behaupten, daß er einer sei.«
    Gewiß, meinte Marker,
besonders diese Formulierung sei vortrefflich gewesen, denn jene Wendung, mit
der explizit nichts gesagt sein sollte, sage implizit alles, und wer, wenn
nicht Ethan, dürfe einem österreichischen Gegenüber bei diesem hochsensiblen
Thema zunächst einmal unlautere Motive unterstellen. Er profitiere hier von
seiner Identität, genieße einen, wie soll er sagen, einen Judenbonus, ja, einen
Judenbonus.
    »Aber ich habe

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