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Rache an Johnny Fry

Rache an Johnny Fry

Titel: Rache an Johnny Fry Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Walter Mosley
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dass meine Gedanken, sobald sie schwieg, zurück zu Sisypha wanderten.
    Mein wertvollster Besitz war Sisyphas Wunsch, meine Schwester zu sein. Ob wir tatsächlich in Verbindung blieben oder nicht, würde sich zeigen, jedenfalls hatte sie diesen Wunsch geäußert, das allein zählte.
    »Wann habe ich dich belogen?«, fragte Jo.
    »Nicht direkt belogen«, sagte ich. »Du hast zwar mit Johnny Fry gebrochen, aber hast du seitdem nicht mit ihm gesprochen?«
    Schweigen.
    »Hast du wirklich gedacht, es wäre deine Schwester, als ich eben anrief? Und hast du nicht noch jemand anderen angerufen, bevor du mich zurückgerufen hast?«
    »Bitte, L.«, flehte sie. Ich hörte, wie sie schluchzte. »Ich kann dir nicht alles auf einmal erklären.«
    »Dann melde dich wieder, wenn du es kannst.«
    »Leg nicht auf.«
    »Lügen helfen dir nicht, Jo. Sie zerstören nur das wenige, das wir noch haben.«
    »Ich werde nicht lügen.«
    »Dann beantworte meine Fragen.«
    »Ich… ich kann nicht. Ich kann dir so etwas nicht sagen. Ich kann nur sagen, dass du der Mittelpunkt meines Lebens bist. Ohne dich würde ich aus der Umlaufbahn geworfen werden, zerschellen und sterben. Dass es dich in meinem Leben gibt, hält mich aufrecht.«
    Jetzt war es an mir zu schweigen. Ich wusste, dass Jo sich aus dem sexuellen Durcheinander befreien wollte, in das sie sich verstrickt hatte. Ich wusste, dass ihr Leben wirklich in Gefahr war. Aber im Moment konnte ich nur an Celia denken – an ihre Milch, die mir über das Gesicht rann, und ihren verzerrten, befriedigten Blick, als ich mit der Zunge über ihre Brust fuhr.
    Ich hatte immer Angst davor gehabt herauszufinden, welche Begierden in mir schlummerten. Es war einfacher, mit einer Frau wie Jo zusammen zu sein, die ihr Leben säuberlich strukturiert hatte, die zwar erschütternde Geheimnisse mit sich herumtrug, sich aber nie fragte, wie es in mir rumorte.
    »Ich will nicht, dass du stirbst, Jo«, sagte ich. »Aber wenn du mir nicht sagen kannst, dass du von einem Mann etwas brauchst, das ich dir nicht geben kann, wie können wir dann offen miteinander reden?«
    »Das weißt du nicht«, sagte sie zornig.
    »Habe ich unrecht? Kannst du mir wenigstens sagen, dass du Johnny nicht angerufen hast? Dass du ihn nicht wiedersehen wirst? Dass du ihn nicht wiedersehen musst!«
    Dieses Mal brauchte sie nur dreißig Sekunden, bis sie antwortete. Währenddessen fragte ich mich, wie es wäre, mit Celia zusammen zu sein, zu wissen, dass sie es mit vielen Männern – und wahrscheinlich auch Frauen – trieb, aber anschließend immer wieder zu mir zurückkam. War das anders als mit mir, Jo und Johnny?
    »Ich kann es dir nicht sagen, aber ich kann es dir zeigen.«
    »Das verstehe ich nicht«, sagte ich.
    »Komm zu mir, und ich zeige dir, was ich fühle.«
    »Ich habe in den nächsten Tagen eine Menge zu tun«, sagte ich.
    »Mit deinen neuen Freundinnen?«, sagte sie mit einem schneidenden Ton in der Stimme, den ich, wie ich fand, nicht verdiente.
    »Nein«, sagte ich. »Ich muss nur ein paar Leute treffen und…. ach ja, ich habe meinen Übersetzerjob an den Nagel gehängt. Ich vertrete jetzt Fotografen, als Agent. Ich habe eine Klientin, die ich an eine Galerie in Midtown vermittelt habe. Da gibt es einiges zu tun.«
    »Du übersetzt nicht mehr? Seit wann?«
    »Seit ich dich mit Johnny gesehen habe.«
    »Aber wovon willst du leben?«
    »Ich komme in drei Tagen zu dir«, sagte ich. »Am Nachmittag. Wenn du vorher mit mir reden willst oder musst, ruf mich an.«
     
     
    Es war fast Mittag, als ich aus dem Haus ging. Ich weiß nicht, ob sie auf mich gewartet hatten oder gerade in dem Augenblick gekommen waren, als ich gehen wollte.
    »Cordell Carmel.« Der große Bulle, der in meiner Wohnung gewesen war, stand mit zwei Uniformierten vor mir. Einer der beiden war schwarz.
    »Ja?«
    »Wir nehmen Sie zu einem Gespräch mit auf die Wache«, sagte er freundlich.
    »Wie heißen Sie?«, fragte ich den schwarzen Polizisten, der mir die Handschellen anlegte.
    »Detective Jurgens«, sagte er höflich.
    Als der Polizist hinter mir meine Taschen durchsuchte, war ich froh, dass ich die Pistole oben gelassen hatte.

 
    Sie sperrten mich in einen Raum, in dem ein unangenehmer Geruch hing. Das heißt, es waren verschiedene Gerüche. Da war einmal etwas Beißendes und dann etwas Abgestandenes, das zwischen Erbrochenem und Schweiß changierte. Übertüncht wurde das Ganze von etwas Süßem wie Vanille, und letztlich war es dieses Süße, das

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