Rache an Johnny Fry
sich nur Ortsgespräche führen. Und natürlich können Sie auch gebührenfreie Nummern anrufen.«
Er schloss die Tür und ließ mich im hellen Licht des schäbigen Raums zurück.
Meine Hände fühlten sich geschwollen an, aber das lag daran, dass sie in den Handschellen ganz taub geworden waren. Ich genoss das Prickeln, als das Gefühl in sie zurückkehrte. Ich machte Fäuste, um das Prickeln zu intensivieren.
Der Schmerz war mein Freund. Er erinnerte mich daran, dass ich lebte. Er kam zu mir, wenn keine Mutter, kein Vater und kein Seelsorger kommen würde. Seinetwegen liebte ich Sisypha und seinetwegen würde ich nie mit ihr schlafen.
Der Anruf bei Jo wäre ein Ortsgespräch gewesen, aber ich benutzte die gebührenfreie Nummer meiner Telefonkarte, wählte Cynthias Nummer und gab ihren Namen ein.
»Hallo?«
»Hallo«, sagte ich und atmete dabei tief aus.
»Wie geht’s dir, L.?«, fragte sie. »Brenda sagt, ihr zwei seid euch sehr nahe gekommen.«
»Ich werde von der Polizei festgehalten.«
»Weshalb?«
»Bei mir im Haus gab es einen Mord. Einen Mord mit anschließendem Selbstmord, glaube ich, aber ich war mit der Frau vor ein paar Nächten zusammen, nachdem du mir gesagt hattest, ich solle meinen Begierden folgen.«
»Ein Mann und seine Frau?«
»Bruder und Schwester.«
»Oh«, sagte sie. »Was kann ich für dich tun?«
»Sisypha hat mir ihre Nummern gegeben, aber ich habe sie nicht dabei. Könntest du sie anrufen und ihr sagen, wo ich bin?«
»Klar, Cordell. Noch was?«
»Ich habe Joelle gesagt, dass ich über sie und Johnny Fry Bescheid weiß.«
»Und?«
»Ich weiß nicht. Ich glaube, meine Entscheidung, es ihr zu sagen, war wichtiger als unser Gespräch. Sie… sie ist wirklich am Ende. Wir sprechen uns in ein paar Tagen wieder. Das heißt, wenn ich hier wieder rauskomme.«
»Wo genau bist du?«
Ich sagte ihr, was ich wusste.
»Ich rufe Bren gleich an.«
Als ich auflegte, wurde mir bewusst, dass mich Cynthia gar nicht gefragt hatte, ob ich schuldig war. Die Tatsache, dass sie es nicht wissen wollte, hatte etwas Dingliches, Körperliches für mich, war wie ein Kompass, ein Leuchtfeuer. Für Jo gab es etwas jenseits von Liebe, das mich zurückstehen ließ. Für Cynthia gab es etwas jenseits von Unschuld – und das war ich.
Etwa eine Stunde später ging die Tür auf. Drei Männer kamen herein. Einer war Jurgens. Er wirkte eingeschüchtert. Begleitet wurde er von einem Polizeibeamten mit einer Uniform voller Abzeichen und glänzender Knöpfe und einem untersetzten Mann in einem lavendelfarbenen Anzug.
»Mr Carmel?«, fragte der untersetzte Mann.
»Ja.«
»Sind Sie in Ordnung?«
»Ich denke schon. Meine Füße sind nur ganz taub wegen der Fesseln.«
»Sie haben ihn angekettet?«, fragte der dicke Kleine den Uniformierten.
»Nehmen Sie ihm die Dinger ab, Mike«, bellte der Uniformierte Detective Jurgens an.
Zu sehen, wie der große Bulle mit seinem Bauch verhandeln musste, um an meine Fußfesseln zu kommen, war komisch, aber ich lachte nicht.
»Mein Name ist Dollar, Mr Carmel, Holland Dollar. Man hat mich beauftragt, Sie hier rauszuholen. Wollen Sie auf Schadenersatz wegen ungerechtfertigter Festnahme klagen?«
Für Jurgens und seinen Vorgesetzten muss es so gewirkt haben, als überdächte ich Dollars Frage, dabei überlegte ich nur, dass Sisypha eine ganz schön hohe Summe hingelegt haben musste, um mich so schnell freizubekommen. In absoluter Rekordzeit hatte es dieser Anwalt, der aussah wie ein Salonlöwe, bis zu mir geschafft und zwang Jurgens auf die Knie, um mich loszumachen. Ich erinnerte mich, dass ich einmal drei Tage gebraucht hatte, bloß um die Erlaubnis zu bekommen, meinen Vater im Gefängnis zu besuchen.
»Ich bin Captain Haldeman«, sagte der Uniformierte. »Ich entschuldige mich für die Unannehmlichkeiten, Mr Carmel.«
Mr Carmel.
Sasha und ihr Bruder waren tot, und die Polizei hatte mich schikaniert, um zu demonstrieren, dass sie den Fall nicht auf die leichte Schulter nahm. Ich war verhaftet und in eine Zelle gesperrt worden, aber am Ende hatte mir der Vorfall gezeigt, dass Sisypha tatsächlich da war, um mir aus der Patsche zu helfen.
Warum?
»Wollen Sie Klage erheben?«, fragte Dollar noch einmal.
»Nein, Sir. Das will ich nicht. Meine Nachbarin und ihr Bruder sind diejenigen, die es getroffen hat. Ihre Eltern werden damit fertig werden müssen. Ich bin zufrieden, wenn ich nach Hause gehen kann.«
»Unten steht ein Wagen für Sie.«
Nachdem man mir
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