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Rache an Johnny Fry

Rache an Johnny Fry

Titel: Rache an Johnny Fry Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Walter Mosley
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den eigentlichen Gestank verursachte. Es stank nach dem Versuch, die Wahrheit dieses Raums zu übertünchen.
    Die Zelle war nicht groß, und es gab keine Fenster. Sie hatten auch meine Füße gefesselt, und ich saß hinter einem Tisch mit einem großen schwarzen Telefon. Jurgens hatte mich über meine Rechte aufgeklärt, und jetzt war ich allein.
    Angst hatte ich nicht. Ich war Gefängniszellen gewöhnt.
    Ich hatte meinen Vater oft im Gefängnis besucht. Meist war er wegen Trunkenheit und Handgreiflichkeiten verhaftet worden. Er war ein brutaler Kerl, dennoch liebte meine Mutter ihn, als hätte Gott in ihm Gestalt angenommen. Wenn er zu Hause war, schaute sie ihn unablässig an. War er nicht da, saß sie in seinem Sessel, das Telefon neben sich, und wartete, dass er sich meldete. Deswegen war ich so überrascht, dass sie nie geheiratet hatten.
    Er war am verträglichsten, wenn sie ihn gefesselt und hinter Gittern hatten. Dann lächelte er mich an und fragte, wie es mir gehe. Er sagte, es tue ihm leid, dass ich ihn so sehen müsse, und bat mich, ihm zu vergeben.
    Einmal, als er für dreißig Tage einsaß, erklärte er mir, ich sei ein kluger Kerl, und er wolle, dass ich zur Universität gehe. Genau das sagte er: Universität, nicht College. Da war ich erst neun, und von dem Tag an strengte ich mich in der Schule an, und als ich viele Jahre später zur Uni in Berkeley zugelassen wurde, besuchte ich meinen Dad, Carson Carmel, im Soledad Prison, wo er zwölf Jahre wegen Totschlags absaß.
    »Was kratzt mich deine Schule?«, fragte er, nachdem ich ihm stolz von meiner Zulassung berichtet hatte. »Hast du mir Zigaretten mitgebracht?«
    All die Jahre hatte ich hart gearbeitet, um ihn stolz zu machen, doch am Ende musste ich erkennen, dass es ihm im Grunde scheißegal war, ob ich zur Universität ging oder nicht.
    Das war mein Leben, dachte ich in dem kleinen Verhörzimmer, Jahre unbewusster Dunkelheit, erhellt nur von einem Flackern hier und da.
     
     
    Es dauerte sehr lange, bis Detective Jurgens und ein Sergeant namens Jorge Mannes kamen, um mich zu befragen. Sergeant Mannes war zierlich und ein Ausbund an Gepflegtheit. In den dreißig Minuten des Verhörs fand er sieben Flusen auf seiner dunklen Anzugjacke. Er zupfte jede einzelne herunter und beförderte sie in den Papierkorb, der hinter ihm in der Ecke stand.
    »Haben Sie etwas mit Sasha Bennetts Tod zu tun?«, waren die ersten Worte, die aus Jurgens’ Mund kamen.
    »Nein.«
    Mannes lächelte. Er hatte rotbraune Haut und einen bleistiftschmalen Schnauzer.
    »Kannten Sie ihren Bruder?«
    »Letzten Freitag habe ich geholfen, ihn hoch in ihre Wohnung zu schaffen. Er war betrunken, und sie wurde allein nicht mit ihm fertig.«
    »Hat er irgendwas gesagt?«
    »Er redete davon, wie sehr er seine Schwester liebte«, sagte ich und dachte, dass ich meinen Vater geliebt hatte.
    »Haben Sie ihn danach noch einmal gesehen?«, fragte Mannes.
    »Er kam nachts hinunter zu mir in die Wohnung, so gegen zwei Uhr, glaube ich.«
    »Was wollte er?«, fragte Jurgens. Es schien ihm nicht zu gefallen, wenn Mannes etwas sagte.
    »Er war betrunken, mehr noch als vorher, und ganz aufgebracht.«
    »Weswegen?«, fragte Mannes schnell, um nicht aus dem Gespräch gedrängt zu werden.
    Ich zögerte. Ich schuldete Sasha nichts. Aber ich wollte auch nicht, dass sie wie ein schlechter Mensch dastand. Das Leben hatte ihr übel mitgespielt, wie auch mir, Jo und Sisypha. Sie traf keine Schuld.
    »Reden Sie schon«, sagte Jurgens.
    »Er hatte mit Sasha geschlafen. Ich nehme an, dass das schon seit ihrer Kindheit so ging, und er wusste nicht, wie er damit aufhören konnte.«
    »Außer, indem er sie und sich umbrachte«, sagte Mannes mit einem wissenden Grinsen.
    »Wenn wir ihr die Fotze ausschaben, finden wir dann Sie oder ihn da drin?«, fragte Jurgens.
    Ich versuchte aufzuspringen, aber es war zwecklos. Ich konnte nicht mal meinen Stuhl umwerfen.
    »Vielleicht alle beide«, sagte Mannes und grinste schon wieder.
    Die beiden Männer standen auf. An der Tür blieb Jurgens stehen und sagte: »Bleiben Sie hier, bis wir wissen, wie’s weitergeht.«
    »Kann ich jemanden anrufen?«
    Jurgens ging hinaus, aber Mannes trat zu mir und öffnete mir die Handschellen.
    »Machen Sie sich keine Sorgen«, sagte er. »Er will nur, dass sein Bericht so aussieht, als hätte er etwas unternommen. Wenn Sie weiß wären, hätte er Sie in Ruhe gelassen.«
    Und dann, als er zur Tür ging, sagte er noch: »Von dem Apparat lassen

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