'Rache'-Box: Rachezug, Rachegier und Rachetrieb (German Edition)
nicht behaupten, sich auf die kommenden Minuten zu freuen: Dirk Schubert, der 52-jährige Leiter der SpuSi, suchte sie.
Nachdem die Ermittler hinüber ins Wohnzimmer geschritten waren, entdeckten sie Schubert auf Anhieb. Aufgrund seiner äußeren Erscheinung stach er problemlos aus der Menge der übrigen Beamten hervor. An den Füßen trug er moderne Sportschuhe. Seine schwarze Stoffhose war weit geschnitten und das grüne Sportsakko erschien mindestens zwei Nummern zu groß für ihn. Zudem hatte er seine Haare mit viel Gel zu einer Igelfrisur aufgerichtet. Es war unverkennbar, dass er zwanghaft versuchte, seine Jugendzeit wieder aufleben zu lassen. Daher war es auch kein Wunder, dass er schmatzend auf einem Kaugummi kaute, den er soeben mit der Zunge in seine Wange schob, um Nora und Thomas mit den Worten zu begrüßen: „Ah, da sind Sie ja. Habe mir doch gedacht, dass Sie hier irgendwo stecken.“
Die Kommissare nickten ihm zu.
„Worum geht es?“, kam Nora umgehend auf den Punkt, da sie nicht mehr Zeit als unbedingt nötig mit diesem blasierten Menschen verbringen wollte.
Schubert lächelte sie von oben herab an. „Direkt zur Sache, wie? Na, wie Sie wollen. Wir haben hier in verschiedenen Räumen Fingerabdrücke gefunden, die definitiv nicht vom Opfer stammen. Ferner haben wir einen Zigarettenstummel in einem der beiden Aschenbecher in der Küche sichergestellt. Da in dieser Wohnung jedoch keine Zigarettenpackungen zu finden sind, könnte es sehr gut sein, dass der Stummel dem Mörder gehört. Das würde bedeuten, dass ich diesen Fall mit einer schnellen Untersuchung und ein wenig Glück schon in wenigen Stunden geklärt habe.“
„Der Mörder soll tatsächlich seine eigenen Fingerabdrücke und einen eigenen Zigarettenstummel hier hinterlassen haben?“, fragte Nora ungläubig.
„Warum denn nicht? Es kann schließlich nicht jeder zum perfekten Mörder geboren werden.“
Um einer verbalen Auseinandersetzung zwischen seiner Kollegin und Schubert zuvorzukommen, hakte Tommy nach: „Haben Sie noch weitere Spuren gefunden?“
„Nein, bisher noch nicht, Scarface.“
Scarface . Diesen Spitznamen verdankte Thomas der vier Zentimeter langen Narbe auf seiner Stirn, die er sich bereits in seiner Kindheit zugezogen hatte. In der Tat erinnerte er sowohl mit seiner markanten Ausstrahlung als auch mit seinem dominanten Auftreten an Al Pacinos Rolle im gleichnamigen Spielfilm von 1983.
„Aber zumindest Sie sind doch hoffentlich davon überzeugt, dass mehrere Fingerabdrücke und ein Zigarettenstummel ausreichen, um einen Mörder zu überführen, nicht wahr?“, richtete Schubert sich an Tommy. „ Sie sind ganz gewiss nicht so paranoid wie Ihre Kollegin und vermuten hinter jedem Mord eines verzweifelten Verlierers gleich die kriminelle Tat des Jahrhunderts. Schließlich hinterlässt fast jeder Mörder am Tatort seine persönliche Visitenkarte. Irgendeine Spur gibt es immer, sei sie klein oder groß, versteckt oder auffällig. Mir entgeht sie jedenfalls nie.“
Nora seufzte. „Ich weise doch nur darauf hin, dass ein Mörder an einem Tatort absichtlich Hinweise hinterlassen kann, die einen Unschuldigen in ernsthafte Schwierigkeiten bringen. Dazu muss dieser Mörder nicht einmal besonders klug sein, denn das ist wirklich keine große Kunst.“
Schubert lächelte sie falsch an. „Na, wenn Sie meinen. Das ist Ihr Gebiet. Mich kümmern diese Vermutungen, Spekulationen und Fantasien nicht. Ich befasse mich ausschließlich mit den Fakten. Und zu diesen gehören bislang mehrere Fingerabdrücke und ein Zigarettenstummel. Was Sie später mit den unverrückbaren Ergebnissen meiner Analyse anstellen, ist Ihre Sache. Dafür werden Sie schließlich bezahlt.“ Er grinste sie noch breiter an. „Ist es nicht so?“
Nora ließ ihren Kopf sinken. Es war schlichtweg unmöglich, dass sie Dirk Schubert jemals als kollegialen Menschen erleben würde. Immerzu musste er sie provozieren. Immerzu musste er sie herausfordern. Offensichtlich brauchte er diese Sticheleien und unterschwelligen Anspielungen für sein Ego, da er sich nur auf diese Weise ein wenig erhaben fühlen konnte.
Weil Nora dieses jämmerliche Spiel aber schon vor langer Zeit durchschaut hatte und von Natur aus kein streitsüchtiger Mensch war, beging sie nicht den Fehler, auf Schuberts Bemerkungen einzugehen. Als Klügere gab sie in dieser Situation nach. Zumal es überhaupt keinen Sinn hatte, sich mit Schubert anzulegen. Voller Gehässigkeit würde er sich
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