'Rache'-Box: Rachezug, Rachegier und Rachetrieb (German Edition)
faltete seine Hände und blickte hinaus in den Schneefall.
„Aber Viktor Wolf hat uns durchaus einige aufschlussreiche Hinweise über die Wesensart des Täters gegeben. Er hat uns Einblicke in dessen Charakter gewährt. Meiner Meinung nach waren diese Aspekte wertvolle Hintergrundinformationen.“
Kortmann schnaufte. „Na schön, Frau Feldt. Dann gebe ich Ihnen jetzt diese Hintergrundinformationen. Wahrscheinlich wurde der gesuchte Täter damals von seinem alkoholabhängigen Vater misshandelt und in der Schule von seinen Mitschülern gehänselt. Er hat einen niedrigen IQ und häufig wechselnde Jobs, falls er überhaupt berufstätig ist. Zudem lebt er in keiner festen Beziehung. Er ist sehr launisch und lässt sich als ‚sozialer Außenseiter’ bezeichnen. Womöglich durchlief er generell eine sehr schwere Kindheit, weshalb er heutzutage eine schlechte Beziehung zu mindestens einem Elternteil führt. Grundsätzlich bleibt ein Täter dieses Typus in der Nähe seines Wohnortes, wo er ziemlich zurückgezogen lebt. Es ist durchaus denkbar, dass er an einer äußerlichen Erkrankung leidet, die andere Menschen abschreckt. Vielleicht stottert er, da er keine gute Ausbildung genossen hat und sozial schwach gestellt ist. Eine mangelnde Hygiene könnte ebenfalls hinzukommen.“ Kortmann hob die Achseln. „Der Tatort ist bei seinen Morden meistens gleich dem Fundort. Häufig kommen sexuelle Handlungen nach der Tat hinzu, aber das ist bei unserem Gesuchten nicht der Fall. Und höchstwahrscheinlich interessiert sich der Täter nicht für die Medienberichte. Er will nicht berühmt werden. Ihm ist es vollkommen egal, was die Menschen über ihn denken. Er mordet für seine persönliche Genugtuung, nicht für den Ruhm. Eben das macht einen planlos agierenden Täter so unberechenbar. Weil er keinen konkreten Plan verfolgt, ist es uns nahezu unmöglich, seine nächsten Schritte oder Opfer vorauszusehen. Diese Mörder sind nicht durch irgendein System zu analysieren. Sie rutschen durch die Raster der professionellen Psychologen hindurch.“ Kortmann fixierte Nora.„Was soll uns also ein ‚Experte’ wie Viktor Wolf noch großartig erzählen? Der würde uns gewiss weismachen wollen, dass der Täter im Grunde gar nichts für seine Morde kann. Das Umfeld hätte ihn zu der Bestie gemacht, die er jetzt ist. Das ist doch krank! Das widert mich an! Es ist nicht die Gesellschaft, die solche kaltherzigen Monster erschafft! Diese Menschen haben die Wahl! Und sie haben sich für die dunkle Seite entschieden, wofür sie ohne Zweifel büßen müssen.“
Nora wusste genau, dass Kortmann sich die ganze Sache zu einfach machte. Der Typus des planlos agierenden Serienmörders stellte sich bei Weitem komplexer und vielschichtiger dar, als er offensichtlich annahm. Doch um sich nicht auf unnötige, zeitraubende Diskussionen mit ihrem Vorgesetzten einzulassen, hielt Nora sich mit ihrer Meinung zurück. Stattdessen fragte sie ihn: „Und was schlagen Sie vor, wie wir nun vorgehen sollen? Wir können doch nicht einfach warten, bis der Täter ein weiteres Opfer gefunden hat, nur weil es uns unmöglich erscheint, seine Handlungen vorauszuahnen.“
Kortmann schüttelte den Kopf. „Nein, denn genau dieser Punkt ist zugleich unser großer Vorteil. Da sich diese Serientäter keine durchdachten Pläne zurechtlegen, begehen sie bei ihren Taten oftmals leichtsinnige Fehler. Und eben diese Fehler hat der Gesuchte mit den zurückgelassenen Fingerabdrücken und Zigarettenstummeln bereits gemacht. Sie stimmen an beiden Tatorten jeweils überein, doch weder die Abdrücke noch die DNA ist in unseren Datenbanken gespeichert. Auch die Spuren aus Greta Baums Badezimmer wurden mittlerweile analysiert. Jedoch sind diese nicht weiter hilfreich.“ Er blickte Nora an. „Also sollten Sie sich nun schleunigst noch einmal mit den Hinweisen, Abläufen und Merkmalen der bisherigen Morde beschäftigen. Dabei werden Sie gewiss auf die entscheidende Spur stoßen. Die Kollegen Dorm und Vielbusch sollen Ihnen dabei helfen.“
Nora kratzte sich an ihrem Muttermal. „In Ordnung, wir werden die Fakten der bisherigen Morde noch einmal studieren. Aber eine innere Stimme sagt mir, dass wir dabei nicht sonderlich weiterkommen werden. Irgendetwas stimmt bei diesen Morden nämlich nicht. Das spüre ich genau. Haben die Kollegen eigentlich schon diesen Arbeitskollegen von Denise Turm überprüft? Den Kerl, der den Doppelmord bei uns gemeldet hat?“
„Ja, der Typ ist sauber. Er war
Weitere Kostenlose Bücher