'Rache'-Box: Rachezug, Rachegier und Rachetrieb (German Edition)
unzähligen Internetberichten möchte ich gar nicht erst anfangen.“
„Leider hat Gewalt eine magische Wirkung auf unsere Gesellschaft. Das werden wir nicht ändern können. Aber eine Sache steht fest: Die Journalisten wissen genau, was sie den Leuten vorsetzen müssen, um möglichst viele von ihnen anzusprechen.“
„Das ist wahr“, brummte Tommy. Er verschränkte die Arme hinter dem Kopf und lehnte sich in seinem Stuhl zurück. Dabei äugte er auf die Uhr seines Computers. Sofort wippte er wieder nach vorne und erhob sich. Anschließend zeigte er auf die Glastür zu seiner Rechten und teilte Nora mit: „Wir müssen los. Es ist Zeit für die Besprechung mit Kortmann.“
Er hat doch tatsächlich etwas abgenommen, erkannte Nora verblüfft, als sie zwei Minuten später mit Thomas das Büro ihres Vorgesetzten betrat. Auf den ersten Blick schätzte sie Frederik Kortmanns Gewicht nur noch auf 265 Pfund. Das wären fast zehn Pfund weniger als noch vor zwei Monaten.
Der 57-jährige Leiter der Kriminalpolizei saß hinter seinem Schreibtisch über einige Akten gebeugt und murmelte unverständliche Flüche vor sich hin. Seine riesige Wampe verhinderte es, dass er sein Jackett ordnungsgemäß zuknöpfen konnte. Eine hässliche Krawatte reichte nicht einmal bis zu seinem Bauchnabel hinab. Zu allem Überfluss standen die obersten Knöpfe seines Hemdes so weit offen, dass die Kommissare beinahe in die Fänge seiner meterlangen Brusthaare gerieten.
Als er die beiden erblickte, richtete er sich auf und deutete ihnen an, vor seinem Tisch Platz zu nehmen. Er klappte zwei Aktendeckel zu, fuhr sich über sein Gesicht und sah Nora unverfroren an. „Wie geht es Ihnen heute? Konnten Sie schon ein wenig Abstand zum gestrigen Vorfall gewinnen?“
„Es geht mir den Umständen entsprechend gut“, versicherte sie ihm.
„Das muss aber ein ziemlicher Schock für Sie gewesen sein. Sind Sie sicher, dass Sie keine fachmännische Hilfe in Anspruch nehmen möchten? Sie kennen doch unseren Polizeipsychologen Dr. Grau. Er ist ein äußerst -“
„Nein“, unterbrach Nora ihn und hob abwehrend die Hände. Sie wollte dieses psychologische Gerede schnellstmöglich unterbinden. „Es geht mir prima. Alles bestens .“
Kortmann fixierte sie einige Sekunden lang mit einem durchdringenden Blick. Da Nora diesem jedoch standhielt, gab er seine Bemühung schließlich auf. „Nun denn. Wenn Sie sich absolut sicher sind, keine psychologische Hilfe zu benötigen, dann reden wir direkt über den Fall: Die Befragung der Anwohner hat nichts Hilfreiches ergeben. Niemand will etwas Auffälliges gehört oder gesehen haben. Die Kollegen Dorm und Vielbusch haben heute Morgen die Vorbesitzer des Hauses aufgesucht, in dem das unbekannte Mädchen gefoltert wurde. Es handelt sich um ein älteres Ehepaar namens Feldmann, das derzeit in einem Seniorenzentrum in der Innenstadt lebt. Leider konnten sie uns nicht weiterhelfen. Sie sind seit ihrem Auszug nicht mehr in der Nähe ihres ehemaligen Hauses gewesen. Demzufolge haben sie keine Ahnung, wer sich Zutritt zu diesem verschafft haben könnte.“
„Was ist mit deren Sohn?“
„Der ist seit fünf Wochen geschäftlich außer Landes. Das bedeutet, dass der Täter sein Opfer theoretisch über Tage oder sogar Wochen hinweg in dem Haus gefangen gehalten und gepeinigt haben könnte.“
„Aber innerhalb eines solch langen Zeitraumes hätte doch jemand die Jugendliche vermissen müssen. Familie, Freunde, Bekannte?“
„Das nehme ich auch an. Und weil bisher noch keine Vermisstenmeldung eingegangen ist, gehe ich davon aus, dass der Täter sie höchstens 48 Stunden lang in seiner Gewalt hatte. Möglicherweise ist sie aber gar nicht aus der näheren Umgebung. Deshalb werden wir uns bundesweit mit unseren Kollegen in Verbindung setzen müssen, um herauszufinden, ob anderorts eine Vermisstenmeldung vorliegt, die auf sie zutrifft.“ Noch während Kortmann dies sagte, beugte er sich nach vorne, langte nach einer Mappe und überreichte sie Nora. „Das ist der Obduktionsbericht des Mädchens.“
Nora nahm die Mappe an sich und schlug die erste Seite auf. „Das Mädchen war sechzehn Jahre alt. Blutgruppe A, Rhesusfaktor negativ. Todesursache war der zweite abgefeuerte Schuss. Während die erste Kugel alle lebenswichtigen Organe verfehlte, ließ die zweite ihren linken Lungenflügel kollabieren. Anschließend drang sie in den Th3-Wirbel ihrer Brustwirbelsäule ein, wo sie schließlich stecken blieb. Die Wundkanäle
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