'Rache'-Box: Rachezug, Rachegier und Rachetrieb (German Edition)
dass er den tödlichen Schuss von seiner Position aus niemals hätte hören können. Dann sagte ich ihm, dass ich soeben einen Mord beobachtet, aber kein Handy dabei hätte. Während er sein Handy herausholte, um einen Notruf abzugeben, erschoss ich ihn. Der Wald war perfekt für die beiden Morde. Denn dort draußen konnte Meier wunderbar als zufälliger Zeuge gelten. Natürlich wusste ich von vornherein, dass bei einem Kopfschuss aus nächster Nähe, also bei einem glatten Durchschuss, ordentlich Blut spritzen würde und dass Sie dieses Blut früher oder später am vermeintlichen Tatort vermissen würden. Das war der Plan. Denn dann würden Sie das Blut suchen, auf der gegenüberliegenden Seite des Waldes finden und sofort denken, dass Meier mein eigentliches Hauptziel war und ich Sie mit der Augenzeugen-Geschichte lediglich in die Irre führen wollte.“ Er zog seine Nase hoch. „Zudem nahm ich eine weitere Kugel aus meiner Waffe, tünchte sie in Meiers Blut und schoss sie in einen Baumstamm im Wald. Von der Lache, die sich unmittelbar nach dem Schuss um Meiers Kopf gebildet hatte, beförderte ich ein wenig Blut in einen Behälter, um es zum vermeintlichen Tatort im Wald zu transportieren. Schließlich durfte ich dort nicht zu auffällig einen Fehler begehen. Hätten Sie direkt gemerkt, dass zu viel Blut nach dem Kopfschuss fehlte, dann hätten Sie die Irreführung hinterfragt und wären mir nicht auf den Leim gegangen. Ähnlich war es bei der Manipulation von Sattlers Videoalibis. Die Datums- und Zeitanzeige durfte ich nicht zu dilettantisch fälschen, da Sie sonst sofort gedacht hätten, dass Sattler einen solch auffälligen Fehler niemals begangen hätte. Schließlich hatte er seine vorherigen Morde nahezu perfekt ausgeführt. Ein auffälliger Fehler hätte also nicht in die Reihe gepasst. Aber winzige Fehler - die Blutspritzer am Tatort und der leicht sichtbare Rand der originalen Datumsanzeige - dienten dem Zweck, dass Sie diese als echte Fehler des Täters akzeptierten. Somit zogen Sie die logischen Schlüsse aus diesen Fehlern und tappten dadurch in meine eigentliche Falle. Sie dachten, dass diese Fehler Sie zum wahren Täter führen würden. Immerhin ist das bei 99 Prozent aller Morde der Fall: Der Mörder denkt sich einen guten Plan aus, begeht jedoch winzige Fehler und wird deshalb überführt.“ Der Mörder grinste wieder süffisant. „Aber was wäre, wenn es eben diese kleinen Fehler sind, die von Anfang an zum Plan des Mörders gehören? Weil er weiß, welche Schlüsse die Ermittler daraus in Bezug auf den ‚wahren’ Täter ziehen würden? Sobald jemand sich aufgrund handfester Hinweise sicher ist, in die Irre geführt zu werden, lenkt er seine volle Aufmerksamkeit in die entgegengesetzte Richtung. In meinem Fall haben Sie anfangs gedacht, einen irren Serienmörder zu jagen. Doch dann wurden Sie durch das inszenierte Schauspiel rund um Manfred Meier davon überzeugt, dass die Geschichte mit dem Serienmörder offenbar der Ablenkung diente. In diesem Moment dachten Sie, den wahren Plan des Mörders durchschaut zu haben. Sie hatten den Kniff anscheinend erfasst. Doch genau dieser Kniff war erst meine eigentliche Irreführung. Die Spur mit dem Serienmörder war von Anfang an die richtige. Zu Beginn waren Sie auf der korrekten Fährte, indem Sie wahrscheinlich – wie in solchen Fällen üblich – nach Gemeinsamkeiten zwischen den weiblichen Opfern gesucht haben. Aber dann wurden Sie durch meine absichtlichen Fehler von dieser Spur weggeführt.“ Der Mörder lachte vor lauter Selbstgefälligkeit. „Ich musste sichergehen, dass Sie nicht weiter nach möglichen Verbindungen zwischen den Mordopfern suchten. Diese Verbindungen bestehen nämlich tatsächlich, wie ich eben bereits darlegte, auch wenn sie nicht offensichtlich sind. Aber nach einiger Zeit hätten Sie diese bestimmt herausgefunden, wenn Sie weiter davon überzeugt gewesen wären, einen Serientäter zu jagen, dessen Taten und Opfer doch in einem Zusammenhang standen. Sobald Sie davon überzeugt waren, dass der Mörder in erster Linie Meier töten wollte, suchten Sie den Verantwortlichen in Meiers Umfeld, wo Sie mich niemals hätten finden können.“
„Psychologisch äußerst raffiniert“, nickte Tommy. „Aber damit noch nicht genug. Sie hatten sogar noch ein Ass im Ärmel. Sie haben uns auch gleich noch einen Täter präsentiert: Bernd Sattler. Auch diesbezüglich müssen wir zugeben, dass Ihr Plan und dessen Umsetzung gewieft waren.
Weitere Kostenlose Bücher