'Rache'-Box: Rachezug, Rachegier und Rachetrieb (German Edition)
Müller der Mörder ist. Aber hätte er den Mord wirklich im Bibliothekskeller begangen? Er weiß sicherlich, dass dort viele Bereiche videoüberwacht werden. Dieser Punkt gibt mir nach wie vor zu denken. Und ich kann mir auch nicht vorstellen, dass Dennis Klamm der Mörder ist. Zwar könnte er Franziska bei der Universität beobachtet und sie zur Bibliothek verfolgt haben, aber ich glaube nicht, dass er sie getötet hat, nur weil sie ihn wegen einer Wette abserviert hatte. Dieses Motiv ist in meinen Augen nicht stark genug.“
„Obwohl einige Menschen schon aus schwächeren Gründen gemordet haben, stimme ich dir in diesem Fall zu“, entgegnete Thomas. „Ich kann mir auch nicht vorstellen, dass einer der beiden der Mörder ist. Aber dann muss es im Grunde ein Wahnsinniger gewesen sein, der Franziska wahllos getötet hat. Denn Suizid können wir auch ausschließen, da das Tatmesser nirgends zu finden war. Und wie du schon gesagt hast: Der Satz unter ihren Füßen könnte eine gezielte Irreführung sein.“
„Schon, aber mittlerweile frage ich mich, ob sich ein Irrer wirklich die Mühe gemacht hätte, diesen Satz ausgerechnet unter Franziskas Füße zu schreiben. Er hätte ihn an die Wand oder an das Regal daneben schreiben können. Das wäre schneller gegangen und somit nicht so riskant gewesen. Immerhin hätte jederzeit ein Studierender auftauchen können. Dennoch machte der Mörder sich die Mühe, Franziska die Socken und Schuhe aus- und wieder anzuziehen. Das spricht dafür, dass dem Mord eine persönliche Ebene zugrunde liegt. Der Mörder wollte diesen Satz offenbar um jeden Preis unter die Fußsohlen schreiben, also auf die Haut des Opfers, was einen persönlichen Kontakt bedeutet. Aber da keine Fingerabdrücke oder sonstigen Spuren am Leichnam waren, scheint der Mörder Handschuhe getragen zu haben. Und das spricht dafür, dass er die Tat im Voraus geplant hatte.“
„Diese Argumentation leuchtet ein. Also muss Müller der Täter sein“, war Tommy sich sicher. „Vielleicht hat er einfach nicht an die Videokameras gedacht. Wie steht es denn eigentlich mit der Auswertung der Videos? Sind die Kollegen inzwischen vorangekommen?“
„Bisher hat Kortmann sich nicht gemeldet. Demnach wird es wohl noch etwas dauern.“
„Haben die Kollegen überhaupt ein Bild von diesem Müller, damit sie wissen, auf wen sie in erster Linie achten sollen?“
„Ja, sie haben eines von der Uni-Homepage ausgedruckt. Das ist ziemlich aktuell.“
„Und von Dennis Klamm?“
Nora wollte gerade verneinen, als die Tür aufgestoßen wurde und das Schwergewicht auf der Schwelle erschien. An seinem betretenen Gesichtsausdruck konnten die Kommissare ablesen, dass sich erneut etwas Schreckliches ereignet hatte.
„Es gab einen zweiten Mord“, stieß Kortmann aufgelöst aus. „Eine weitere Studentin wurde getötet. In einem Hörsaal der Universität.“
14
Eine Viertelstunde später parkte Nora ihren Ford auf einem Parkplatz vor dem Blauen Turm , dem heimlichen Wahrzeichen der Stadt. Er war dreizehn Stockwerke hoch und verdankte seinen Namen den unzähligen Fenstern, die besonders bei Sonnenbestrahlung auffällig bläulich glänzten. Somit war der Turm, in dem viele Büro- und Seminarräume der Universität untergebracht waren, bereits aus der Ferne sehr gut zu erkennen.
Nora und Thomas stiegen aus dem Wagen, schritten am Blauen Turm vorbei und begaben sich zum Eingang des Zentralen Hörsaalgebäudes. Dieser Universitätskomplex bildete eine U-Form, wobei der Blaue Turm das nordöstliche Ende markierte.
Nachdem die Ermittler das Gebäude betreten hatten, deutete ihnen eine Spur aus Kollegen und Spurensicherern an, dass sich der Leichnam in der ersten Etage befand. Daher ließen sie die größeren Hörsäle im Erdgeschoss hinter sich, schritten über eine Treppe hinauf in den ersten Stock und sahen sich dort einem langen Flur gegenüber. Auf dessen linker Seite fanden fünf kleinere Hörsäle ihren Platz. Vor dem zweiten erkannten die Kommissare ein Absperrband, hinter dem viele Studierende standen und aufgeregt über das Vorgefallene mutmaßten.
Bevor Nora und Thomas sich zum Absperrband begeben konnten, hörten sie hinter sich eine schrille Frauenstimme ertönen: „Da sind Sie ja endlich! Ich dachte schon, Sie kämen gar nicht mehr!“ Corinna Seibert eilte hinter ihnen die Treppe hinauf. Sobald sie oben bei den Ermittlern ankam, fauchte sie: „Das ist unerhört! Wie konnten Sie zulassen, dass eine weitere Studentin
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