Rache: Die Eingeschworenen 4
weiter, und mir wurde kalt und schwer ums Herz, denn damit war mir klar, dass wir versagt hatten.
Jetzt trat eine große Stille ein, es roch nach Blut und Kotze, und man hörte Stöhnen. Die Männer gingen umher, begutachteten den Schaden. Sie schlugen sich auf die Schultern in der Euphorie, die sich nach einer gewonnenen Schlacht ausbreitet, andere wieder saßen da, nach vorn gebeugt, die Hände auf den Knien und würgend.
Rands Sterki lag im Gras, einen großen Bluterguss auf der einen Gesichtshälfte, und Onund hockte über ihm wie ein böser Troll. Er hatte sich zu Beginn der Schlacht sofort auf Randr gestürzt und ihm den Buckel seines Schildes ins Gesicht gerammt. Jetzt lag Randr auf den Ellbogen gestützt da und spuckte Zähne und Blut aus.
» Das war ich dir schuldig, und noch mehr«, knurrte Onund ihn an und berührte seine Brust, wo unter seiner verdreckten Tunika die alten Brandwunden immer noch nicht abgeheilt waren.
» Ein abgeschlagener Kopf stiehlt selten ein zweites Mal«, bemerkte der rote Njal. » Und ein Kopf oben im Baum verschwört sich nur noch mit dem Wind.«
» Deine Großmutter klingt nicht nach der Sorte, an die man sich als Kind gern angekuschelt hätte«, murmelte Krähenbein und duckte sich vor dem grimmigen Blick, den der rote Njal ihm im Vorbeigehen zuwarf.
Der Rest von Randrs Männern saß eingeschüchtert da, sie merkten, dass sie vom Regen in die Traufe gekommen waren. Als ich zu ihnen trat, reichte Onund mir ein Schwert in einer Scheide, die er Randr abgenommen hatte. Es war meine Waffe; er hatte sie mir abgenommen, als ich sein Gefangener war, und die V-förmige Scharte löste in mir eine Flut schmerzlicher Erinnerungen aus– wie mein Schwert in den Mast der Fjord Elk gebissen hatte, wie ich ins Wasser gestürzt war, Nes-Björns verkohlte Leiche, der Verlust von Gisur und Hauk und all den anderen.
Randr musste bemerkt haben, welche Gefühle über mein Gesicht jagten; er blieb stumm.
Einer der Reiter hatte überlebt. Ein blasser Kerl mit blutigen Zähnen, die er noch immer fletschte, obwohl er einen abgebrochenen Jagdpfeil im Oberschenkel stecken hatte und sein linker Arm einen unnatürlichen Winkel bildete, der nur von einem verdrehten Bruch herrühren konnte.
Ich wollte Antworten von ihm, aber seine schwarzen Augen waren wütend und trotzig und voll Schmerz. Schwarzauge ging hin, um in seiner Sprache mit ihm zu reden. Er antwortete, aber es klang nicht sehr ermutigend. Sie erwiderte etwas. Es ging hin und her, schließlich verstummten sie.
» Er ist ein Wislane«, sagte sie. » Die Angehörigen dieses Stammes sind Christus-Anhänger.«
» So viele Worte für so wenig Antworten?«, sagte ich enttäuscht.
» Er hat mich mit allen möglichen Namen belegt. Euch nennt er Flachsköpfe, so nennen sie die Sachsen. Barbaren.«
Ich ahnte, dass er noch mehr gesagt hatte, aber ich merkte auch, wie sie mich warnend ansah. Aber es war Finn, der in die Luft ging.
» Barbaren?«, brüllte er. » Muss ich mir das von einem felltragenden Troll gefallen lassen?«
» Quisque est barbarum alio«, sagte eine müde Stimme, und als wir uns umdrehten, sahen wir den Mönch Leo, hinter ihm Koll und Thorbrand, der den Schluss bildete.
» Jeder ist für jemanden ein Barbar«, übersetzte Leo müde lächelnd für Finn.
Ich würdigte ihn kaum eines Blickes, meine ganze Aufmerksamkeit gehörte Koll, der jetzt auch angekommen war und vor mich trat.
» Du bist weit von zu Hause weg«, sagte ich und verwünschte mich gleichzeitig, dass ich dem Jungen nichts Tröstlicheres mitteilen konnte.
» Ich wusste, dass du kommen würdest«, erwiderte er und sah mich mit seinem klaren, unschuldigen Kindergesicht an. Er war sehr abgemagert, und wegen seiner weißen Hautfarbe war es schwer zu sehen, ob er krank war oder nicht, aber er schien ganz munter zu sein. Doch man sah ihm an, dass seine blassblauen Augen schlimme Dinge gesehen hatten.
» Nun«, sagte Finn langsam, indem er den Mönch umkreiste wie ein Fuchs den Hühnerstall, » du hast uns lange tanzen lassen, Mönch.«
Leo bestätigte es mit einem trockenen Lächeln. Sein Haar war lang geworden und stand ihm wirr vom Kopf ab, er hatte seine lange Kutte hochgezogen und unter dem Gürtel befestigt, sodass es aussah, als trüge er eine weite, knielange Hose. Darunter waren seine Beine rot und weiß, mit Schlamm bespritzt und blutig von Kratzern und Wunden. Er stank nach Fett und Holzrauch und machte alles andere als einen guten Eindruck, aber ich
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