Rache: Die Eingeschworenen 4
weben?«
» Sieh nach Norden«, sagte ich. Denn das hatte ich bereits getan, und als er dorthin sah, erschrak er. Ein schwacher roter Feuerschein – er leuchtete in der nassen, dunklen Nacht wie ein Leitstern.
» Was haben die sich bloß dabei gedacht?«, knurrte er.
» Ich hatte mir gedacht«, sagte Thorgunna, » die Kinder müssten etwas essen, und alle anderen sollten mal wieder trocken und warm werden. Ich hatte gedacht, die Thrall sind in Panik davongerannt und irren jetzt irgendwo dort draußen umher, und so können sie uns in der Dunkelheit vielleicht finden.«
Sie sah mich ernst an. » Ich dachte auch«, fügte sie hinzu, und ihre Stimme zitterte, » dass unsere Männer, die wir tot glaubten, vielleicht doch überlebt haben und uns suchen könnten.«
Ich hielt sie umarmt, und sie klammerte sich mit aller Kraft an mich, weil sie nicht weinen wollte. Uns gegenüber hatte Ingrid ihre Arme um Botolf gelegt, er tätschelte ihren Arm und schnurrte wie ein zufriedener Kater.
» Ich habe ja immer gesagt, Thorgunna ist eine kluge Frau«, log Finn ungerührt, während Thordis seine nasse Tunika drückte, dass das Wasser zwischen ihren Fingern herauslief. » Habe ich das nicht auf dem Weg hierher immer wieder gesagt, Orm?«
Sie zogen uns zum Feuer und überhäuften uns mit Willkommensrufen und Wärme und Essen. Onund Hnufa wurde auf ein Lager gelegt, warm zugedeckt und liebevoll umsorgt. Ich erzählte den Zuhörern, die sich beim Feuerschein um uns versammelt hatten, unsere Geschichte, und ihre ernsten Gesichter waren wie versteinert.
» Klak«, murmelte Abjörn, der die sechs Männer anführte, die von denen, die Jarl Brand mir geliehen hatte, noch übrig waren. » Dafür wird jemand bluten müssen.«
» Gisur und Hauk«, fügte Ref kopfschüttelnd hinzu. » Bei Odins Hammer, das ist ein schlimmer Tag.«
Finn wollte nach seinem schlafenden Sohn sehen, Botolf ging zu seiner Tochter, damit blieben Hlenni Brimill und der rote Njal übrig, um die Geschichte weiterzuerzählen, und das wütende Gebrumm und die Heyas stiegen auf wie stinkender Rauch. Ich trat hinter die Zeltwand aus Vadmaltuch, wo Thorgunna sich über Onund beugte. Bjaelfi saß bei ihm.
» Kann er sprechen?«, fragte ich. Bjaelfi schüttelte den Kopf.
» Er schläft, und das ist das Beste für ihn. Sie haben ihn mit dem heißen Eisen ziemlich zugerichtet.«
Thorgunna wollte wissen, warum ich darüber enttäuscht schien, und ich erklärte ihr, dass ich annahm, Onund wisse vielleicht etwas, was etwas mehr Licht in die ganze Sache bringen könne.
» Mir scheint es ganz einfach«, erwiderte sie kurz. » Randr Sterki ist gekommen, um dasselbe mit uns zu machen, was wir mit ihm gemacht haben.«
Ich warf ihr einen Blick zu, aber sie hielt den Kopf wohlweislich gesenkt und beschäftigte sich eingehend mit dem Rinderfell, mit dem Onund zugedeckt war. Sie war in Svartey dabei gewesen, als wir Klerkons Hof verwüstet hatten, hatte aber auf dem Schiff gewartet, während wir alles kurz und klein schlugen. Ich sagte ihr, der verwünschte kleine Krähenbein habe uns dazu angestachelt, und sie sah mich an, ihre Augen so schwarz wie Schafköttel.
» Hör auf, dem Jungen alles in die Schuhe zu schieben«, fauchte sie mich an. » Ich habe damals gesehen, wozu Seeräuber fähig sind, und ich möchte so etwas nie wieder erleben. Es war nicht alles nur der Junge.«
Nein, nicht alles, da hatte sie recht. Die Seeräuber waren zu lange eingesperrt gewesen, und sie hatten Blut gerochen; wofür Krähenbein gesorgt hatte, und darüber fast den Verstand verloren. Im Grunde genommen war es eigentlich ein Strandhogg gewesen wie viele andere– ein bisschen grausamer vielleicht als sonst, aber Feuer und Blut war schon immer Teil unseres Lebens gewesen. Was die Sache mit Hestreng nur so schlimm machte, war, dass diesmal wir die Opfer waren.
Doch das alles war noch keine Antwort auf die Frage, warum Styrbjörns Mann mit Randr Sterki hierhergekommen war, noch weshalb sie Bärenhäuter und römisches Feuer eingesetzt hatten. Diese Frage stellte ich auch Thorgunna, und sie setzte sich hin, faltete die Hände im Schoß und dachte nach.
» Styrbjörn will das, was er schon immer wollte«, sagte sie schließlich, während sie Teller und Löffel holte. Sie konnte besser nachdenken, wenn sie etwas zu tun hatte. Sie füllte eine Schale mit Rindfleisch, das in Milch gekocht war, und reichte sie mir geistesabwesend, dann brachte sie mir einen Schlauch mit Skyr– dicke saure Milch,
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