Rache: Die Eingeschworenen 4
Unterkiefer zog sich eine lange rote Brandwunde über Nase und Auge, aus dem es schleimig tropfte. Er blutete aus einer Kopfwunde, und noch immer zischte das heiße Eisen auf seiner Brust; seine Tunika qualmte und fing Feuer.
Ich stand auf und warf den Eisenstab zurück in die Glut, dann musste ich das Fell retten, das er darumgewickelt hatte. Es war ein gutes Fell, weißer Wolf und nicht billig– wie ich zum roten Njal und zu Hlenni Brimill bemerkte, als ich mein Schwert aufhob und ihnen die Fesseln durchschnitt.
» Erinnere mich daran, dass ich mir niemals ungefragt eines deiner Felle ausleihe«, sagte Hlenni, der seine Handgelenke rieb und sich etwas steif erhob. Er gab Bjarki einen Fußtritt, sodass sein Kopf hin und her rollte.
» Kleiner Bär«, sagte er spöttisch, denn das bedeutete » Bjarki«, ein Name, den man einem Kind gab, aber keinem erwachsenen Mann. » Nur schade, dass er schon weg war, ehe er das heiße Eisen spürte.«
» Lasst die Späße«, keuchte der rote Njal, der sich um Onunds Fesseln bemühte. » Helft mir lieber, sonst bekommen wir noch alle die Hitze zu spüren. Bete zu den Göttern, wenn es sein muss, aber nimm eine scharfe Klinge mit, wie meine Großmutter immer zu sagen pflegte.«
Ich gab dem roten Njal den Sax und ergriff mein vertrautes Schwert, dann machte ich die Tür vorsichtig auf, weil ich draußen zumindest einen Wächter erwartete. Doch da war nichts– bis ich eine große, dunkle Gestalt auf mich zukommen sah. Mein Magen verkrampfte sich, und ich musste meinen ganzen Willen daran setzen, nicht wegzurennen. Dann roch ich ihn, Schweiß, Leder und diesen stinkenden Mundgeruch– eine Mischung, die ich gut kannte.
Finn.
» Du warst lange weg, sodass ich nach dir sehen wollte«, flüsterte er heiser, und seine Zähne und Augen leuchteten im Dunkeln. » Ich sah Leute von hier weggehen und dachte, ich riskiere es. Was hast du herausgefunden?«
Ich sagte nichts, doch er brummte, als er Hlenni und den roten Njal sah, die Onund zwischen sich herausschleiften.
» Hier entlang«, sagte er, als ginge es zu einem trockenen Krankenzimmer mit sauberen Betten, und wir verschwanden in die Nacht. Von der Dunkelheit in die Dunkelheit, wie Eulen auf der Jagd, jeder Muskel und jeder Nerv bis zum Zerreißen gespannt in der Erwartung des Schreis, wenn man uns entdeckte, und der Klinge aus dem Dunkel.
Irgendwo draußen auf der Weide, wo die Halle nur noch ein schwach erleuchteter Umriss in der Dunkelheit war, blieben wir stehen, und ich zog meine Stiefel wieder an. Unser Ziel war das Tal im Norden, zu dem wir uns schweigend und lautlos auf den Weg machten.
Und ständig kreisten meine Gedanken wie Wölfe um das Gespräch zwischen Randr Sterki und Ljot– und wenn diese Wölfe müde wurden und sich zum Ausruhen niederlegten, dann standen die Toten auf und verspotteten mich.
Kapitel 4
Es regnete, ein feines Nieseln, sodass wir die Sterne nicht sehen konnten. Keuchend, ohne Orientierungshilfe, stolperten wir dahin. Ich ging voraus, wobei ich mehr hoffte, als dass ich es wusste, dass es der richtige Weg war. In Nässe und Dunkelheit lauerten Trolle und Elfen, die man aus den Augenwinkeln vorbeihuschen sah.
Etwas Großes, Dunkles; ich erstarrte, und Finn rannte mich fast um. Regenwasser tropfte von unseren Nasen, als wir die Köpfe zusammensteckten und uns flüsternd berieten.
» Was ist das?«, brachte er heiser heraus, und im selben Moment wusste ich es.
» Der Stein. Unser Stein…«
Glatt und regennass stand er da, unser großer Stein, zur Hälfte von Klepp bereits bearbeitet, zur Hälfte von Vuokko, dem Finnen, bemalt. Er war mindestens so groß wie unsere Erleichterung, als wir ihn umarmten und den Geruch von nassem Felsgestein einsogen, denn das bedeutete, dass wir das Tal erreicht hatten.
In der Nähe stand eine Hütte, in der einst die Thrall gehaust hatten, die sich um die Pferde gekümmert hatten. Jetzt war es Klepps Haus, solange es warm genug war, um Stein zu bearbeiten. Jetzt war es natürlich stockdunkel darin, denn er war ja mit Vuokko, Thorgunna, Thordis und allen anderen mitgezogen, weiter ins Tal hinein und auf der anderen Seite bergauf ins Vorgebirge.
» Wagenspuren«, sagte Finn plötzlich. Er nahm meine Hand und zog sie hinunter auf den nassen Boden. Die Furche und der Geruch nach frisch aufgewühlter Erde gaben ihm recht. Spurrinnen – da war ein Wagen gefahren, vielleicht sogar mehrere.
» Wenigstens sind sie in Sicherheit«, murmelte ich, und wir beeilten uns,
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