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Rache verjährt nicht: Roman (German Edition)

Rache verjährt nicht: Roman (German Edition)

Titel: Rache verjährt nicht: Roman (German Edition)
Autoren: Reginald Hill
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entspannte er sich und lachte laut los.
    »Meine Güte, Elfe, allmählich hören wir uns an wie zwei Figuren in einem altmodischen Melodram! Was meinen Sie denn, was passieren wird? Ich hab nicht vor, einen Raketenangriff auf Schloss Ulphingstone zu starten, oder so was in der Art. Ehrlich, die meisten Rachegelüste hab ich jetzt abreagiert. Ich will nur ein bisschen Ruhe und Frieden, damit ich entspannt auf den Frühling warten kann.«
    Sie wollte ihm glauben. Sie hatte das Gefühl, dass er sich selbst glauben wollte. Aber gute Psychiater, so war ihr eingetrichtert worden, wärmen stets die Couch für ihre Patienten vor. Anders ausgedrückt, als Erstes musstest du tief in dich selbst hineinschauen und dafür sorgen, dass du ohne Vorbelastung anfingst.
    Sneck erhob sich plötzlich vom Boden vor dem Kamin und lief mit einem tiefen kehligen Knurren zur Tür.
    Auch Hadda stand auf.
    »Moment bitte«, sagte er.
    Er winkte Sneck bei Fuß, zog die Tür auf und wartete einen Moment, ehe er hinausschlüpfte. Wieder einmal ertappte Alva sich dabei, dass sie die geschmeidige, leicht wiegende Bewegung, die sein kaputtes Knie verursachte, mit dem schwerfälligen Hinken verglich, das sie noch aus der Zeit in Parkleigh in Erinnerung hatte.
    Jetzt stand auch sie auf und ging zur Tür.
    Durch das offene Scheunentor hindurch sah sie ihn neben dem Defender stehen. Er zog ein Stück Papier hinter den Scheibenwischern hervor, faltete es auseinander und begann zu lesen. Sneck drehte sich um und sah Alva an. Wolf sollte nicht denken, dass sie ihm nachspionierte, deshalb wich sie zurück, nahm wieder am Tisch Platz und hielt sich an ihrer Kaffeetasse fest, bis er wieder hereinkam.
    »Probleme?«, fragte sie.
    »Nein«, sagte er und warf ein kleines Papierknäuel Richtung Feuer. »Könnte ein Reh gewesen sein. Sneck und ich werden allmählich leicht neurotisch. Wir hatten ein paar Probleme mit Reportern.«
    »Ja, Luke Hollins hat mir das mit dem Miststreuer erzählt. Er schien die Idee ziemlich inspirierend zu finden.«
    »Er ist schwer in Ordnung«, sagte Hadda, setzte sich wieder und griff nach seiner Tasse. »Also, wo waren wir?«
    Er versuchte so zu klingen wie vorher, aber irgendetwas war anders.
    Sie sagte: »Sie waren gerade dabei, mir zu erzählen, dass Sie sich hier in Ihrem gemütlichen Häuschen dem süßen Müßiggang hingeben wollen, weit weg von den Sorgen der Welt, um auf die Rückkehr von Narzissen und Schwalben im Frühling zu warten.«
    »Hab ich das gesagt? Klingt doch gut. Wieso schauen Sie mich jetzt mit diesem misstrauischen Psychiaterblick an?«
    »Weil ich Ihnen nicht glaube«, sagte sie.
    »Wie bitte? Dürft ihr eure Patienten als Lügner bezeichnen?«
    »Ich rede nicht mit Ihnen als Patient, sondern als Freund«, sagte sie. »Und ich denke Folgendes. Ich denke, alles, was Sie seit Ihrer Freilassung gemacht haben, all Ihr cleveres Pläne- und Ränkeschmieden, all Ihr Gerede von Gerechtigkeit und Rache, all das ist nichts anderes als reine Verzögerungstaktik. Estover und die Nutbrowns sind Ihnen im Grunde völlig egal. Und es ist Ihnen auch völlig egal, ob Sie Ihre Unschuld beweisen oder nicht. Wichtig ist Ihnen einzig und allein, was Sie mit Imogen machen werden. Und in Wahrheit haben Sie keine Ahnung, was Sie machen sollen, keine Ahnung, was Sie machen wollen. Aber jetzt, wo alles andere aus dem Weg geräumt ist, rückt der große Moment näher. Also, Wolf, worauf läuft es hinaus? Sind Sie schon zu einer Entscheidung gekommen?«
    Einen Moment lang dachte sie, sie hätte ihn zu einer ehrlichen Antwort gereizt. Dann stieß er einen ziemlich theatralischen Seufzer aus, schüttelte betrübt den Kopf und sagte: »Da haben wir’s wieder, Elfe. Selbst wenn Sie als Freundin sprechen, können Sie nicht anders, als sich faszinierende kleine Szenarien auszudenken, nicht wahr? Ich hab ja schon immer den Verdacht gehabt, dass Psychoanalyse nichts anderes ist als Schriftstellerei. Sie entwerfen eine kleine Geschichte, in der alles vorkommt, ändern hier und da ein wenig, damit die Handlung auch schön rund läuft, bieten ein paar Schlussvarianten an, ein glückliches Ende, ein unglückliches, und dann sagen Sie Ihrem Patienten, er soll sich entscheiden, das macht dann hundert Guineen bitte. Tja, tut mir leid, Elfe. Ich bin keine Figur mehr in Ihrem Märchen. Ich fühle mich sehr wohl in meinem eigenen.«
    Sie sagte: » Es war einmal, da lebte ich glücklich und zufrieden bis an mein seliges Ende . Das waren die ersten Worte,
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