Rache verjährt nicht: Roman (German Edition)
ich das anstelle …«
Er sah sie vielsagend an.
»Mein Buch, meinen Sie? Und ich war auch noch so naiv, mich leicht geschmeichelt zu fühlen, als ich es in Ihrem Schlafzimmer entdeckt hab.«
»Ich bitte um Verzeihung. Das war nachlässig von mir.«
»Übrigens hab ich es in Ihrer Zelle in Parkleigh nicht gesehen. Das war wirklich eine bücherfreie Zone. Bis auf Der Graf von Monte Christo .«
Er grinste und sagte: »Ich konnte nicht widerstehen, das für Sie dazulassen.«
»Sie wussten, dass ich nachschauen würde?«
»Ich hielt es für wahrscheinlich, schließlich spricht aus Seelen heilen echter Forscherdrang«, sagte er. »Deshalb hab ich bei meinem Zellennachbarn Stauraum für Bücher angemietet, die Sie bei mir nicht finden sollten.«
»Bücher?«
»Ja. Tut mir leid. Ich konnte mich ja schließlich nicht bloß auf Seelen heilen verlassen. Es war immerhin doch ein wenig – wie haben die Rezensenten es noch mal bezeichnet? – frühreif. Deshalb hab ich mir noch ein paar populärere Sachen besorgt.«
»Umso besser. Es wäre ja auch nicht gut für Sie gewesen, wenn Sie sich bei Ihrem Schwindel auf das Werk einer so zweitrangigen Psychiaterin verlassen hätten, wie ich es offenbar bin«, sagte sie, unfähig, die Verbitterung aus ihrer Stimme herauszuhalten.
»Oje«, sagte er. »Und jetzt verabscheuen Sie mich mehr, weil ich unschuldig bin, als Sie mich je verabscheut haben, als Sie mich für schuldig hielten? Finden Sie das nicht seltsam?«
»Ich verabscheue Sie nicht«, sagte sie. »Das hab ich nie.«
»Einen Kinderschänder und Betrüger? Ich bitte Sie!«
Es schien nicht der richtige Zeitpunkt, ihm zu gestehen, dass sie sich fast von Anfang an zu ihm hingezogen gefühlt hatte, trotz allem, was sie über ihn zu wissen geglaubt hatte, trotz seines Aussehens, trotz all ihrer Anstrengungen, diese beunruhigende Reaktion ihrer Psyche zu analysieren. Es war wichtig, das Gespräch wieder auf eine förmliche professionelle Ebene zu bringen.
»Verabscheue die Sünde, nicht den Sünder, so lautet die erste Zeile des Glaubensbekenntnisses für Psychotherapeuten, sagte sie. »Wenn man verabscheut, kann man nicht helfen. Und ich wollte Ihnen helfen. Das will ich noch immer.«
»Wirklich?«, sagte er gespielt überrascht. »Aber was gibt’s denn jetzt noch zu helfen, wo Sie doch anerkennen, dass ich unschuldig bin, dass man mich reingelegt hat?«
Sie sah ihn traurig an und sagte: »Wolf, nach allem, was Sie durchgemacht haben, müssen Sie einfach beschädigt sein, Sie sind zu intelligent, um das nicht zu begreifen.«
»Beschädigt ist ein bisschen übertrieben, finden Sie nicht? Ich hab ein paar Tiefschläge eingesteckt, ja, aber ich finde, alles in allem habe ich das Ganze innerlich weniger angeschlagen überstanden als äußerlich. Hören Sie, Elfe, nehmen Sie’s nicht persönlich. Es tut mir leid, dass Sie das Werkzeug waren, das ich benutzt hab, um aus dem Gefängnis rauszukommen. Okay, anfangs hat es mir Spaß gemacht, Sie auszutricksen, aber als ich Sie besser kennenlernte, hörte der Spaß bald auf.«
»Warum haben Sie nicht einfach versucht, mich davon zu überzeugen, dass Sie unschuldig sind?«
Er lachte und gab ihr so ziemlich dieselbe Antwort wie Doll Trapp.
»Wie zum Teufel hätte ich das denn anstellen sollen, wenn jede Beteuerung meiner Unschuld in Ihren Augen immer nur ein weiterer Beleg dafür war, dass ich noch immer verdrängte? Und selbst wenn es mir gelungen wäre, wer hätte denn auf Sie gehört? Der Bewährungsausschuss hat Sie als Sachverständige ernst genommen, weil Sie denen erklärten, dass ich gut auf die Therapie angesprochen hätte und nun unbesorgt auf freien Fuß gesetzt werden könnte. Aber wenn Sie denen erzählt hätten, ich wäre unschuldig, hätten sie in Ihnen bloß eine leichtgläubige Frau gesehen, die sich von einem manipulativen Soziopathen an der Nase hat herumführen lassen.«
Sie widerstand der Versuchung, ihm zu sagen, dass er gerade ziemlich präzise beschrieben hatte, was ohnehin passiert war, und erwiderte: »Na schön. Zweck der Übung war also, aus dem Gefängnis zu kommen und den Beweis dafür zu finden, dass Sie reingelegt wurden. Und den haben Sie von Medler bekommen. Warum sind Sie dann nicht schnurstracks zur Polizei gegangen und haben gesagt: ›Hört euch das mal an?‹«
Er lachte erneut.
»Seien Sie nicht naiv, Elfe«, sagte er. »Die wollen nicht, dass ich unschuldig bin, genauso wenig, wie Sie das wollten. Klar, die würden der Sache
Weitere Kostenlose Bücher