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Rache verjährt nicht: Roman (German Edition)

Rache verjährt nicht: Roman (German Edition)

Titel: Rache verjährt nicht: Roman (German Edition)
Autoren: Reginald Hill
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wünschenswerte Lösung. Ihr Wunsch war es, dass sie und Wolf einen Weg fanden, den Zusammenbruch ihrer Beziehung zu akzeptieren und die Trümmer relativ unbeschadet hinter sich zu lassen.
    Vielleicht, nur vielleicht, bestand nach ihrem Frühstücksgespräch mit Kira nun die kleine Chance, einen solchen Weg zu finden.
    Ein weiterer hoffnungsvoller Faktor war die Möglichkeit, dass Wolf tatsächlich etwas hatte, dem er sich zuwenden könnte. Männer verliebten sich doch üblicherweise in ihre Pflegerinnen, warum also nicht in ihre Psychiaterinnen?
    Sie war überrascht gewesen, als sie die schwarze Frau erneut am Haus gesehen hatte. Als Alva Ozigbo nach Weihnachten ins Schloss gekommen war, hatte Imogen gar nicht in Erwägung gezogen, die Frau könnte mehr als nur ein professionelles Interesse an Wolf haben. Immerhin war er für sie doch ein verurteilter Pädophiler und Betrüger, der aufgrund ihrer sachverständigen Meinung wieder in die Gesellschaft entlassen worden war, somit hatte sie ein berechtigtes Interesse daran, ihn genau im Auge zu behalten.
    Jetzt wünschte Imogen, sie hätte der Frau als Mensch mehr Beachtung geschenkt. Sie war eindrucksvoll, keine Frage. Attraktiv? Möglicherweise. Imogen versuchte, sie mit Männeraugen zu sehen. Sie selbst hatte keinen guten Instinkt für die sexuelle Aura anderer Frauen. Sie und Pippa hatten einmal eine Nacht miteinander verbracht, um auch auf diesem Gebiet Erfahrungen zu sammeln, aber sie hatte nicht den Wunsch verspürt, das Erlebnis zu wiederholen, auch wenn es zweifellos gewisse Vorteile hatte, einem Körper zu begegnen, der die gleiche Geografie und die gleichen Reaktionen hatte wie der eigene.
    Aber sie konnte sich vorstellen, dass Alva Ozigbo mit dieser Kombination aus schwarzer Haut, hellem Haar und zartem Knochenbau für manche Männer aufreizend war. Wolf? Da war sie sich nicht sicher. Er war so vollkommen auf sie selbst fixiert gewesen, dass er nie auch nur ein theoretisches Interesse an einer anderen Frau geäußert hatte. Sie war sich hundertprozentig sicher, dass er ihr niemals untreu gewesen war, selbst wenn er manchmal monatelang auf Geschäftsreise gewesen war. Die aufgestaute Leidenschaft, die bei seiner Rückkehr freigesetzt wurde, hatte ihr einige der intensivsten sinnlichen Erlebnisse ihres Lebens verschafft, doch wenn er dann eine Weile zu Hause gewesen war, löste seine Zuwendung manchmal leicht klaustrophobische Gefühle bei ihr aus.
    Hatte er das je geahnt? Sie glaubte nicht.
    Und sie war absolut sicher, dass er sie nie der Untreue verdächtigt hatte. Seine Reaktion wäre, gelinde gesagt, extrem gewesen. Sie konnte sich glücklich schätzen, dass ihn vierzehn Jahre lang keine boshafte Zunge aufgeklärt hatte. Vielleicht hatte ihn seine natürliche arglose Liebenswürdigkeit davor bewahrt. Genauso gut hätte man ein Kind verletzen können.
    Oder vielleicht hatte ihn seine andere charakteristische Eigenschaft geschützt, dieses Gefühl, dass unter der Oberfläche eine ungezügelte Kraft brodelte und nach einem Ventil suchte. Wenn es je einen Mann gegeben hatte, dessen erste spontane Reaktion es gewesen wäre, den Überbringer einer schlechten Nachricht zu töten, dann war es Wolf!
    Doch irgendwann hätte er es unvermeidlich erfahren.
    Sie kannte ihre Freunde.
    Sie mochten jahrelang den Mund halten, doch wie der Skorpion in der Fabel mussten sie letztendlich zustechen, weil es in ihrer Natur lag.
    Diese Gewissheit, dass ihre Ehe unausweichlich auf das Ende zusteuerte, war einer der Faktoren gewesen, die es ihr leicht gemacht hatten, mit Toby und Pippa mitzuziehen, als die beiden ihr ihre Überlebensstrategie unterbreitet hatten. Wenn Notwendigkeit den Ton angibt, ist Bedauern ebenso sinnlos wie Widerstand.
    So oder so wäre Wolf ins Gefängnis gewandert und ihre Ehe in die Brüche gegangen.
    Für sie gab es nur zwei Alternativen: Entweder sie würde mittellos aus der Sache hervorgehen oder sie könnte ihren Reichtum behalten.
    Was gab es da zu entscheiden?
    Zu behaupten, sie hätte seine Verurteilung ohne Bedauern hingenommen, wäre unwahr gewesen. Zu behaupten, dieses Bedauern hätte sie nachts nicht schlafen lassen, wäre noch unwahrer gewesen. Nur zwei Dinge hielten sie wach, nämlich Sex und Zahnschmerzen.
    Nein, das war wieder eine von diesen raffinierten Unwahrheiten, die sie sich angewöhnt hatte, um Leute auf Abstand zu halten. Nach Ginnys Tod hatte sie monatelang nur mit Hilfe von Tabletten oder Alkohol tief und fest schlafen können.
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