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Rache verjährt nicht: Roman (German Edition)

Rache verjährt nicht: Roman (German Edition)

Titel: Rache verjährt nicht: Roman (German Edition)
Autoren: Reginald Hill
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die Sie aufgeschrieben haben, wissen Sie noch? Sie waren damals schon eine Figur in Ihrem eigenen Märchen, nicht in meinem. Im Grunde waren Sie sogar zwei Figuren. Der Wolf und der Holzfäller. Ist ein gewisser Zwiespalt. Vielleicht ist es ja gut, dass das Märchen zu Ende ist. Aber Sie haben recht. Auch ohne hundert Guineen zu bezahlen, können Sie das Ende selbst bestimmen.«
    An der Wand schlug die alte Stockuhr die volle Stunde.
    Er stand auf und sagte: »So spät schon? Verdammt. Und ich hab unser Kamingespräch richtig genossen. Leider muss ich jetzt gehen. Wir anerkannten Straftäter sind nicht Herr über unser Leben, wie Sie ja bestimmt wissen. Ich muss in regelmäßigen Abständen meine Nase zeigen, beweisen, dass ich noch auf dem rechten Weg bin.«
    »Sie meinen, Sie fahren nach Carlisle, um sich mit Ihrem Bewährungshelfer zu treffen?«
    »Ganz genau«, sagte er. »Aber nur keine Hektik, bleiben Sie in aller Ruhe sitzen und trinken Sie Ihren Kaffee aus. Vorausgesetzt, Sie fühlen sich nicht verpflichtet zu spülen! Sehen wir uns noch mal, ehe Sie zurück nach Manchester fahren, oder brechen Sie gleich auf?«
    Sie sah ihn an und sagte: »Ich weiß es nicht.«
    »Okay«, sagte er, wandte sich ab und holte seine Axt, die in einer Ecke lehnte. Dann wandte er sich ihr wieder zu, seltsam unentschlossen. Schließlich machte er ein paar Schritte vorwärts, bis er direkt neben ihrem Stuhl stand. Sie blieb still sitzen, spürte die Nähe seines Körpers. Und die seiner Axt.
    Er sagte: »Ich hab immer gedacht, ich kann das nicht machen, solange Sie mich für schuldig halten. Und jetzt, wo Sie es nicht mehr tun, fallen mir alle möglichen Gründe ein, warum ich mich nicht trauen sollte. Wenn das so weitergeht, tu ich’s nie. Also, dann mal los.«
    Er beugte sich hinab, legte die rechte Hand an ihren Hinterkopf und drückte das Gesicht an ihres, um sie so lange zu küssen, bis sie merkte, dass sie außer Atem kam, aber sie machte keine Anstalten, sich von ihm zu lösen.
    Schließlich wich er zurück.
    »Was auch immer geschieht, das hätten wir«, sagte er. »Erster Kuss? Letzter Kuss? Wer weiß das schon?«
    Er ging zur Tür. Sneck erhob sich, ließ sich aber, als sein Herrchen »Bleib!« befahl, erneut, wenn auch widerwillig, auf seinen Platz vor dem Kamin nieder.
    Dann war er weg. Einen Moment später hörte sie den Defender dröhnend aufheulen. Als das Scheppern des Motors in der Ferne verklang, kam ihr die Stille vor wie die Stille des Weltraums.
    Sie trank den letzten Schluck von ihrem Kaffee. Sie hatte ihn stark gemacht, weil sie wusste, dass Hadda ihn gern so trank, aber irgendwie schien er sie nicht wach zu machen, sondern im Gegenteil betäubend zu wirken. Eine seltsame Mattigkeit stahl sich in ihre Glieder, und sie saß da und starrte blicklos und größtenteils auch gedankenlos in ihre leere Tasse. Es war, als müsste sie ein Problem enträtseln, das ihr Verstand nicht mal ansatzweise bewältigen konnte, weil es einfach zu groß war.
    Sie erwachte erst wieder aus ihrer Träumerei, als der Wigwam aus Holzscheiten im Kamin mit einem sanften Seufzen zu silbrig grauer Asche zusammenfiel.
    Sie fuhr sich mit der Zunge über die Lippen.
    Was auch immer geschieht? Erster oder letzter?
    Wer weiß das schon?
    Sie stand auf, um frisches Holz aus dem Korb zu holen. Sneck blickte hoffnungsvoll zu ihr hoch. Sie sagte: »Tut mir leid«, und er richtete seine Aufmerksamkeit wieder auf etwas zwischen seinen Pfoten, an dem er leckte. Als sie das Holz aufs Feuer legte, sah sie, dass es das Stück Papier war, das Hadda zusammengeknüllt in Richtung Feuer geworfen hatte.
    Sie versuchte, es aufzuheben. Der Hund bleckte die Zähne. Sie ging zum Küchenschrank und holte einen Ingwerkeks. Sneck sah ein, dass das ein faires Geschäft war, und überließ ihr das Stück Papier.
    Sie strich es auf dem Küchentisch glatt.
    Es war eine handschriftliche Nachricht:
    Dann ist sie also was für länger? Ich glaube, ich mach heute einen Spaziergang zum Pillar Rock. Es soll keiner behaupten, ich wäre unsentimental.
    Sie erkannte die Schrift nicht. Das war auch nicht nötig.
    Er war nicht auf dem Weg zu seinem Bewährungshelfer. Das hätte ihr in dem Moment klar sein müssen, als er die Axt aus der Ecke holte. Aber der Kuss hatte ihren Verstand auf der Suche nach seiner Bedeutung in andere Bahnen gelenkt.
    In einem war sie sich sicher: Der Kuss konnte nicht die Bedeutung haben, die sie sich wünschte, solange Haddas Probleme mit Imogen
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