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Racheakt

Racheakt

Titel: Racheakt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: F Steinhauer
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bei d’neurologische Praxe nachg’fragt. Viele Patiente komme ja z’erscht dorthi un der Neurologe versucht se zu behandle. Aber da isch au nichts rausg’komme.«
    »Schlecht. Wir sind also keinen Schritt weiter gekommen. Jule wird irgendwo gefangen gehalten und ich bin nicht in der Lage sie zu finden.«
    Peter Nachtigall fuhr sich über die Augen. Er war müde. Das Telefonat mit Birgit hatte seine Stimmung auch nicht gerade verbessert. Natürlich gab sie ihm die Schuld, wie sie es schon immer getan hatte. »Dein Beruf«, hatte sie ihn angeschrien, »dein Beruf ist an diesem ganzen Unglück schuld. Ich wusste schon immer, dass du uns alle in schiere Verzweiflung treiben wirst.«
    Er hatte nicht darauf geantwortet. Was sollte man auch zu solchen Vorwürfen sagen? Schließlich wusste er selbst sehr genau, dass Jule nur seinetwegen in diese Lage geraten war. Niemand konnte ihm größere Vorwürfe machen, als er sich selbst! Zum Ende des Gesprächs hatte Birgit verkündet, sie käme nach Cottbus und würde sich melden, wenn sie in Berlin gelandet sei.
    Er wählte eine andere Nummer.
    »Dr. Jung.«
    »Stell dir vor, das Schwein hat Jule entführt«, sprudelte es aus ihm heraus.
    »Was! Das ist ja entsetzlich! Möchtest du bei mir vorbei kommen? Oder soll ich zu dir kommen?«
    »Das wird nicht gehen. Ich bin im Büro. Wir suchen sie überall.«
    »Ich bin hier, wenn du mich brauchst«, flüsterte sie warm und ihre Stimme fühlte sich wie ein schützendes Pflaster an.
    »Du wirst sie finden – ganz sicher. Und Jule weiß das auch. Du bist ein guter Polizist.«
    »Er hat gewusst, wie er mich manipulieren kann. Helge?«
    »Ja.«
    »Ich habe Angst.«
    »Ich weiß.« antwortete sie leise. »Gib Acht auf dich.«
    »Ich rufe dich wieder an.«
    Danach starrte er das Handy wortlos an und ließ es wieder in die Tasche gleiten. Was für ein Unterschied zu seinem Gespräch mit Birgit.
     
    Es klopfte und Emile Couvier kam herein. Auch er sah übernächtigt aus.
    »Was Neues?«
    »Nein.«
    Couvier setzte sich mit an den Tisch. Alle Arroganz war in den letzten Stunden von ihm abgefallen, er wirkte jetzt direkt sympathisch und umgänglich.
    »Wir sind letzte Nacht noch stundenlang durch die Straßen gefahren und haben einsame, hässliche Frauen gesucht«, erklärte Nachtigall den anderen beiden. »Aber wir konnten nur feststellen, dass Hässlichkeit eine sehr subjektive Größe ist.«

47
     
    15. November
     
    »Guten Abend, Frau Dr. Jung.«
    »Guten Abend, Herr Prof. Marburg.«
    War seine Begrüßung tatsächlich frostiger geworden oder bildete sie sich das nur ein? Vielleicht war sie im Moment schlicht ein wenig hypersensibel, überlegte sie und drückte ihm besonders herzlich die Hand.
    »Drei tote Mädchen in nur zwei Wochen – es ist kaum zu glauben, was da in Cottbus passiert!«
    »Ja, es ist wirklich eine schwierige Lage. Es hat schon begonnen die Gesellschaft zu verändern. Viele Eltern fürchten nun täglich um das Leben ihrer Töchter, die spät vom Sport, von der Schule oder von der Arbeit nach Hause kommen. Bestimmt merken auch die Restaurants und Discos, dass die Besucherzahlen zurückgehen. Die Leute bleiben zu Hause.«
    »Sind Sie noch immer von der Unschuld Ihres Patienten überzeugt?«
    »Ja – absolut. Die Polizei versucht zwar mit allen Mitteln nachzuweisen, er könne sein Medikament nicht eingenommen haben, könne die Mädchen gekannt haben, könne sich an die Tatorte geschlichen haben – aber bisher ist es ihnen wohl nicht gelungen.«
     
    Sie betraten den Nebenraum, in dem die anderen Kollegen bereits versammelt waren. Frau Dr. Jung spürte die Blicke der anderen Kollegen. Offensichtlich waren sie der Meinung, sie sei schuld an diesen Gräueltaten. So wie der Gutachter in einem anderen aktuellen Mordfall, der gerade verhandelt wurde. Knapp eine Woche nach der befürworteten Entlassung aus dem Maßregelvollzug hatte der Mann ein Mädchen im Wald ermordet. In der Haut des betroffenen Kollegen wollte sie auch nicht stecken. Günter Grabert war schließlich unschuldig!
    Der Weg zum Tisch war schier endlos. Gott sei Dank, dachte sie, als sie sich setzte, Gott sei Dank sprechen wir heute nicht über Morde aus sexueller Motivation!
    Endlich war die heutige Runde komplett. Zu ihrer großen Freude stellte Helge Jung fest, dass ihre Kollegin Birnbaum wohl nicht teilnehmen konnte. Zu schade, nahmen ihre Gedanken einen boshaften Zug an, da verpasste die Gute aber eine wichtige Chance zur Selbstdarstellung.
     
    Prof.

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