Racheakt
Skorubski um und trat zur Seite um zwei Männer mit einem Metallsarg durchzulassen.
»Vielleicht wohnte sie hier hinten irgendwo. Falls sie mit der Bahn kam, musste der Typ nichts weiter tun, als ihr von der Straßenbahnhaltestelle aus hier entlang zu folgen und sie an einer passenden Stelle zu überwältigen. Oder er hat im Auto auf dem Parkplatz gewartet.« Skorubski atmete tief durch.
»Vielleicht ist sie auch selbst mit einem Auto zu einem Stelldichein gekommen oder mit dem Fahrrad und die Sache ist irgendwie aus dem Ruder gelaufen. Streit zum Beispiel. Die Kollegen sollen die Halter von den beiden Privatwagen auf dem Parkplatz überprüfen.« Peter Nachtigall gab entsprechende Anweisungen – auch die Straßenbahnhaltestelle sollte gecheckt werden und die Kollegen wollten nach einem Fahrrad Ausschau halten.
»Hier fährt doch regelmäßig eine Streife durch. Die Kollegen sollen doch mal nachsehen, wer heute Dienst hatte. Vielleicht kommt der Streife ja nun im Nachhinein irgendetwas verdächtig vor.«
»Wahrscheinlich ist alles ganz schnell gegangen. Sie hatte wohl nicht einmal mehr Zeit zu schreien – sonst hätte doch sicher jemand was gehört. Sieh mal, wie nahe doch letztlich die Häuser sind.«
»Möglicherweise hat sie ja sogar geschrien. Das werden wir erst dann wissen, wenn die Leute befragt wurden.« Peter Nachtigall hatte die Stimme gesenkt, räusperte sich und fügte hinzu:
»Manchmal hören die Menschen etwas und reagieren nicht. Halten es für einen Spaß unter Jugendlichen. Und hier am Badesee wird sicher oft aus Jux um Hilfe gerufen – allerdings wohl eher nicht im November.«
Ein Mann in Schutzkleidung trat zu ihnen: »Der Täter hat ihr beide Brüste amputiert und im BH ins Geäst über ihrem Kopf gehängt. Auch die Haare hat er ihr abgeschnitten und wie Lametta in dem Baum hier verteilt, unter den er sie gelegt hat.« Nachtigall nickte ihm zu. Übelkeit stieg in ihm auf.
»Und diese Puppe lag neben dem Opfer«, der Kollege hielt einen transparenten Plastikbeutel mit einer Barbiepuppe hoch.
»Gleich ins Labor«, wies Nachtigall an.
»Yupp«, antwortete der junge Mann und wandte sich ab.
»Augenblick!«, hielt Nachtigall ihn zurück. »Es bleiben mindestens zwei Mann hier und sichern das Umfeld. Das gilt bis übermorgen. Wenn der FC Energie spielt, trampeln hier Hunderte durch die Anlagen. Dann ließe sich für uns nichts mehr finden! Es wird also von uns abgeriegelt und bewacht!«
»Yupp«, antwortete der Vermummte wieder und verschwand.
»Guten Abend, die Herren«, Staatsanwalt Dr. Julius März trat zu der Gruppe.
Schweigend starrte er auf das makabre Arrangement des Täters, sah, wie die Tote vorsichtig in einen dunklen Sack und danach in den Metallsarg gelegt wurde. Nach einer langen Pause fuhr er sich mit der Hand über die Stirn, als hätte er plötzlich massive Kopfschmerzen, drehte sich wortlos um und bedeutete den beiden Ermittlern ihm zu folgen.
»So was kenne ich nur aus amerikanischen Thrillern. Mein großer Sohn hat mir da neulich so ein Ding aufgeschwatzt. Einfach nur grausig«, er schüttelte den Kopf. »Was die Jugend heute so liest. Der Gerichtsmediziner wird gleich morgen früh obduzieren, ich habe schon mit Potsdam gesprochen. Dr. Pankratz wird sehr früh hier sein. Du lieber Himmel!« Er seufzte tief. »Den Kerl müssen wir aber ganz fix finden. Die Leute werden hysterisch werden, wenn sie davon erfahren. Haben Sie schon Hinweise auf die Identität?«
Der große, stattliche Mittvierziger strich sich ratlos über die raspelkurz geschnittenen Haare, die seit einigen Monaten von Dunkelgrau bis Weiß changierten. Er schob seine randlose Brille auf der Nase zu Recht, nahm sie dann ab um sie umständlich zu putzen. In seinem markant geschnittenen Gesicht mit den harten Zügen zuckte es.
»Nein. Vielleicht wohnte sie hier hinten und war auf dem Heimweg. Kann natürlich auch sein, dass sie eine Freundin besuchen wollte oder mit ihrem Freund hier verabredet war. Ist alles denkbar. Wir wissen noch nicht einmal, ob sie hier gestorben ist, oder vom Täter hierher gebracht wurde.«
Der Staatsanwalt warf noch einen letzten Blick auf die gespenstische Szene: Mitarbeiter des Erkennungsdienstes in weißen Schutzanzügen liefen mit langsamen Schritten durch das Waldstück, den Blick fest auf den mit Scheinwerfern ausgeleuchteten Boden gebannt und sammelten mit langen Stangen, an deren Ende Greifer waren, Fundstücke vom Waldboden auf, drehten Blätter um und hoben
Weitere Kostenlose Bücher