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Racheakt

Racheakt

Titel: Racheakt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: F Steinhauer
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Moos. Der Täter hatte sie fast liebevoll drapiert, es sah sogar so aus, als wäre der Versuch unternommen worden ihren missbrauchten Körper noch mit Moos zuzudecken, das nun allerdings zum größten Teil auf den Boden geglitten war. Die Augen waren geschlossen. Die Kleidung der Toten war nicht zu sehen, nur ihre Schuhe standen neben dem Laubbett, sorgfältig nebeneinander, als sei sie mal eben herausgeschlüpft, um sich schlafen zu legen. Ihre blonden Haare waren rücksichtslos abgeschnitten und dort, wo die Brüste hätten sein sollen, fanden sich nur zwei tiefe, von geronnenem Blut dunkel gefärbte Krater. Aus einer Wunde am Kopf war Blut über ihr Gesicht gelaufen und dort zu einer bräunlichen Schicht verkrustet. Über die zartgliedrigen Hände waren Plastiktüten gezogen um eventuelle Gewebeproben unter ihren Nägeln zu sichern.
    Du lieber Gott, dachte Peter Nachtigall, der sonst eher nicht himmlische Einflüsse zu Hilfe rief, womit haben wir es denn hier zu tun?
    Dr. Berg, Arzt vom Dienst, kauerte neben dem toten Mädchen, und war gerade damit beschäftigt das Leichenthermometer abzulesen.
    »Können Sie uns was sagen, Dr. Berg?« Sie kannten sich schon seit Jahren von den unterschiedlichsten Unglücksorten.
    »Klar. Sie ist eindeutig tot«, fing Nachtigall einen bissigen Kommentar ab.
    Er schwieg. An Tatorten wie diesem waren alle gereizt. Auch er wünschte sich manchmal, er hätte vieles von dem Schrecklichen, das er im Laufe seiner Dienstjahre gesehen hatte, nie zu Gesicht bekommen. Für Albträume hätten allemal schon viel harmlosere Bilder gereicht als solche, die ihn heimsuchten und schon seit Langem für unruhige Nächte mit wenig Schlaf sorgten. Er war Mensch geblieben – leidensfähig und verletzlich.
    Aber bei ihm stellte sich auch rasch ein anderes Gefühl ein: Der Wunsch dieses Verbrechen aufzuklären und dem Opfer den wirklich letzten Dienst zu erweisen: den Täter zu fassen.
    Jule hatte es auf den Punkt gebracht, als sie zu ihm sagte, sie sei froh, einen Vater zu haben, der ein gefühlsduseliger Jäger und kein eiskalter Bulle sei.
    »Möglicherweise war ein schwerer Schlag gegen die Schläfe die Todesursache. Mit einem Hammer oder einem Baseballschläger. Keine äußeren Verletzungen außer den Verstümmelungen und einer blutigen Stelle an der linken Schläfe. Sie ist noch warm – ziemlich genau 34°C. Es ist zwar heute Abend sehr kalt und sie ist völlig nackt, aber vor ungefähr zweieinhalb Stunden hat sie wohl noch gelebt. Doch das kann der Rechtsmediziner genauer feststellen.« Dr. Berg war ganz offensichtlich nicht in der Stimmung sich über weitere Details auszulassen. Seine Garderobe, die unter seinem Kittel hervorsah, wenn er sich bewegte, sah eher nach einem feierlichen Anlass als nach Dienstbereitschaft aus.
    »Hat man Sie von einer Party geholt?«
    Dr. Berg warf Peter Nachtigall einen genervten Blick zu und brummelte gleich bleibend unfreundlich: »Abschlussfeier für meine Tochter. Sie hat ihr Medizinstudium beendet und ist nur wenig älter als dieses Mädchen. Ich bin als Vertretung für Dr. Schwanitz hier. Der ist bei einem Unfall auf der Autobahn.« Er packte seine Utensilien in eine große, klobige Arzttasche und streckte Peter Nachtigall den Totenschein hin, wandte sich grußlos ab und stapfte, unter seinem beträchtlichen Körpergewicht ächzend, Richtung Parkplatz los.
    »Dr. Berg!«, rief Peter Nachtigall ihm nach. Der Arzt blieb stehen und wandte sich mit ungnädigem Gesichtsausdruck um.
    »Was ist noch? Sie werden mit Ihren Fragen auf das Ergebnis der Obduktion warten müssen! Bestimmt kommt der Kollege gleich morgen früh – dann haben Sie vielleicht am Nachmittag schon die ersten Erkenntnisse auf Ihrem Schreibtisch.«
    »War sie schon tot, als er ihr das angetan hat?«
    »Ich hoffe, ja. Wenn er sie bei lebendigem Leibe …« Dr. Berg schüttelte sich. »Es müsste eigentlich viel mehr Blut zu sehen sein, falls sie noch am Leben gewesen wäre.« Damit drehte Dr. Berg sich nun endgültig um, räusperte sich vernehmlich und verschwand in Dunkelheit und Dauerregen.
    »Sie ist vielleicht gerade mal so alt wie Jule.« Fassungslos starrte Peter Nachtigall auf das tote Mädchen. »Was mag sie wohl hier gewollt haben? Die Badesaison ist längst vorbei und für kuschelige Rendezvous ist es im November zu feucht und zu kalt.«
    »Können wir sie mitnehmen?«, fragte jemand im Vorbeigehen.
    »Wenn der Fotograf fertig ist«, antwortete Nachtigall, drehte sich zu Albrecht

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