Rachedurst
schob sich an ihr vorbei. »Ich muss telefonieren.«
***
Die Schrotflinte mit dem Lauf nach unten hinter die Sitzbank geklemmt, brauste Joe vom Ranchhof. Als ein Donnerschlag über die Wiesen rollte, schien die Welt einen Moment lang den Atem anzuhalten. Joe fuhr so schnell, dass er dort, wo es von der Ranch auf den Zubringer zum Highway ging, beinahe aus der Kurve geflogen wäre. Das Auto brach im Schlamm nach links und rechts aus, und er drohte die Beherrschung über den Wagen zu verlieren. Er fluchte, verringerte das Tempo und spürte, wie die Reifen sich in den Matsch fraÃen. Wenn ich jetzt stecken bleibe, dachte er, werde ich mir das nie verzeihen.
In den Gräben stand das Wasser mittlerweile noch höher als am Morgen, als er die Mädchen zum Bus gebracht hatte, und der Zubringer war überflutet. Hinter Joes Auto spritzten braungelbe Wasserfontänen auf.
Der Highway kam in Sicht. Er hatte es geschafft, bog auf den nassen Asphalt und konnte wieder richtig Gas geben.
***
Während der Fahrt versuchte Joe, das Puzzle zusammenzusetzen. Es gelang ihm nicht. Er hoffte inständig, Marybeth habe auf den Anruf überreagiert, aber das bezweifelte er. Mit ihrer Intuition lag sie immer richtig, vor allem, wenn es um die Mädchen ging. Allein Sheridans Aussage, dass sie von ihrem Handy anrufen würde, war Hinweis genug.
Sollte dieser Mistkerl J. W. Keeley meine Mädchen in seiner Gewalt haben, dann bring ich ihn um, schwor er sich.
Wie sehr er diese Entfernungen manchmal hasste! Alles hier drauÃen war einfach so weit weg. Fünfzig Kilometer bis Saddlestring, fünfunddreiÃig Kilometer von seinem alten Haus aus. Fünfundzwanzig Kilometer zu Nate. Und fünfzig Kilometer in die Gegenrichtung bis zur ersten Zufahrt zur Thunderhead Ranch. Joe kannte die Ranch und ihre Nähe zum über die Ufer getretenen Fluss gut genug, um zu wissen, dass es nur noch einen befahrbaren Weg gab, den zum tiefer gelegenen, südlichen Teil der Ranch, auf dem Arlen residierte. Alle anderen Zufahrten waren sicher überflutet. Ob Keeley die Mädchen zu Arlen brachte? Und wenn ja: warum?
Nein, dachte Joe â ich versuche gar nicht erst, Keeleys Beweggründe herauszufinden. Das hat Zeit. Jetzt galt es, den Bus zu finden.
Selbst wenn Marybeth McLanahan sofort erreicht und das komplette Sheriffbüro auf Trab gebracht haben sollte, würde es eine halbe Stunde dauern, bis die Polizei die Bighorn Road auf ganzer Länge nach dem Bus absuchen konnte. Und der Hubschrauber würde bei diesem Wetter nicht aufsteigen.
Joe war also auf sich gestellt.
***
Nate stand mit langer gelber Regenjacke und umgeschnalltem Schulterholster auf dem Seitenstreifen und trat auf die Fahrbahn, als Joe bremste und hielt.
Er sprang in den Wagen und knallte die Tür zu. Joe trat das Gaspedal durch, um rasch wieder Tempo zu gewinnen.
»Wir suchen also nach einem Bus«, sagte Nate.
»Ja.«
»Marybeth meinte, der Kerl heiÃt Keeley.«
»Ja.«
»Mein Gott â einer von den Keeleys?«
»Ja.«
Dann sagte Joe: »Danke, dass du gekommen bist.«
»Jederzeit, Partner.« Nate zog seinen dicken Revolver aus dem Holster und prüfte die Munition.
***
Joe und Nate fuhren unter dem geweihbesetzten Bogen und dem Schild THUNDERHEAD RANCH hindurch und die schlammige Piste hangabwärts.
»Da ist er«, sagte Nate mit ausgestrecktem Finger.
Der Bus saà am Fuà des Hügels mitten auf der StraÃe fest. Oder besser gesagt dort, wo die StraÃe gewesen war. Nun aber hatte der Fluss den Hochwasserschutzdamm durchbrochen, und Wasser schäumte um den Bus und drang durch die offene Tür.
»Sieht leer aus.« Nate kniff die Augen zusammen und starrte durch die Windschutzscheibe. Die Scheibenwischer arbeiteten einfach nicht schnell genug.
Joe verringerte das Tempo, hielt unmittelbar vor der riesigen Pfütze und sprang mit seiner Schrotflinte aus dem Wagen. Das Heck des Busses war sechs Meter entfernt, und die hintere Tür stand zur Hälfte unter Wasser. Der Fluss rauschte so laut, dass Joe kaum seine eigene Stimme hörte, als er schrie: »Da ist keiner. Sie müssen das andere Ufer vor dem Dammbruch erreicht haben!«
Joe stellte sich vor, wie Keeley die Mädchen durch das steigende Wasser auf die gegenüberliegende Seite getrieben und sie gezwungen hatte, durch den Pyramidenpappelwald drei Kilometer weit zu den Ranchgebäuden zu gehen. Das
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