Rachedurst
bei so viel Wasser in den Gräben.«
Sheridan sah, wie ein Mann die Tür öffnete und aus dem Pick-up stieg. Er trug einen nassen Cowboyhut mit schlaffer Krempe und hatte ein Gewehr in der Hand.
Vor Schreck sprang ihr fast das Herz aus der Brust.
»Den kenn ich«, sagte sie und rief nach hinten: »Julie, das ist Bill Monroe.«
Julie machte ein verblüfftes Gesicht. »Was will der denn?« Sie stand auf und kam nach vorn.
Monroe klopfte inzwischen mit der Gewehrmündung an die Vordertür des Busses.
»Ihr Mädchen kennt den also?«, fragte der Fahrer vorsichtig. Seine Hand lag auf dem Türöffner.
»Er arbeitet für meinen Dad«, erwiderte Julie. »Aber ich weià nicht, was er hier macht.«
»Na, wenn du ihn kennst ⦠« Der Fahrer drückte den Knopf.
Der Geruch von Schlamm und Regen drang in den Bus, als Bill Monroe einstieg. Sheridan schnappte nach Luft, als er plötzlich das Gewehr hob und auf den Kopf des Fahrers zielte.
»Für dich ist hier Endstation«, sagte er.
Sheridan hörte Julie neben sich schreien.
***
Eine halbe Stunde später klingelte das Telefon auf der Longbrake Ranch. Missy trank gerade mit ihrer Tochter Kaffee und las den Saddlestring Roundup . Marybeth wollte gleich zur Arbeit fahren. Joe hielt sich im Schlafzimmer auf.
Missy ging an den Apparat, sagte »Hallo, Schatz« und gab Marybeth den Hörer. »Sheridan.«
Marybeth runzelte die Stirn. Sheridan hatte noch nie so früh angerufen, denn um diese Zeit war sie noch gar nicht in der Schule. Vielleicht fällt der Unterricht ja nun doch aus, dachte sie. Womöglich braucht sie jemanden, der die zwei abholt und wieder nach Hause bringt.
»Hallo Mom«, sagte sie.
Marybeth spürte, dass etwas nicht stimmte. Sheridans Stimme klang hart und gepresst.
»Wo bist du?«
»Im Bus. Ich muss dir eine Frage stellen: Ist es okay, wenn Lucy und ich nach der Schule mit zu Julie fahren?«
Marybeth zögerte. Das ergab keinen Sinn. Sie bat Sheridan, die Frage zu wiederholen, was ihre Tochter auch tat. Aber ihre Stimme klang seltsam. Da stimmte was nicht, ohne jeden Zweifel. Was reimten sich Julie und Sheridan da bloà zusammen? Und warum sollten sie Lucy dabeihaben wollen?
»Du weiÃt, ich mag nicht, wenn du mich so überfällst«, sagte sie. »Was führt ihr Mädchen im Schilde?«
»Nichts«, erwiderte Sheridan. »Wir wollen nur ein wenig zusammen abhängen. Sport fällt wahrscheinlich aus.«
»Du willst mit deiner kleinen Schwester abhängen?«
»Klar, die ist cool.«
»Das hör ich zum ersten Mal. Lass mich mit ihr reden.«
»Moment.«
Marybeth merkte, dass Sheridan das Mundstück zuhielt, damit sie nicht hörte, was ihre Tochter zu besprechen hatte. Sie beugte sich vor, spitzte die Ohren und spürte Missys musternden Blick: Offenbar war ihr Marybeths Beunruhigung nicht entgangen.
»Sie kann nicht reden«, meldete sich Sheridan. »Sie hat den Mund voll.«
» Was? «
»Sie hat sich über ihr Lunchpaket hergemacht. Das macht sie immer â weiÃt du das nicht? Mittags hat sie dann kaum noch etwas davon übrig und muss von mir und anderen Kindern schnorren.«
»Sheridan«, sagte Marybeth beinahe flüsternd, »Lucy tut das nie . Sie bringt den GroÃteil des Lunchpakets wieder mit, das weiÃt du. Könnte ich sie nur dazu bringen, vernünftig zu essen! Also, was ist los bei euch? Von wo rufst du an?«
»Aus dem Bus«, antwortete Sheridan zu fröhlich. »Von meinem Handy.«
»Von deinem Handy ⦠deinem Handy.«
»Dafür hast du es mir ja besorgt. Für Notfälle wie diesen ⦠«
Plötzlich war die Verbindung unterbrochen.
Marybeth hatte das Gefühl, einen Schlag verpasst bekommen zu haben. Sheridan hatte zweifellos versucht, ihr etwas mitzuteilen.
»O Gott.« Sie sprang auf, warf den Hörer auf den Tisch und rannte aus der Küche, während Missy ihr nachrief, was denn los sei.
»Joe!«
***
Joe war nicht im Schlafzimmer, sondern in Buds beengtem und unaufgeräumtem Büro. Er hatte sich des Gesprächs erinnert, das er am Vortag mit Tony Portensons Büro geführt und bei dem er um ein Fax gebeten hatte. Aber da er nicht in seinem Haus in der Bighorn Road war, um sich den Posteingang anzusehen, hatte er erneut beim FBI angerufen und Portensons Sekretärin gebeten, die Informationen
Weitere Kostenlose Bücher