Rachedurst
sich Keeley. Damals hatte er Joe Pickett durchs Zielfernrohr seines Gewehrs beobachtet und hätte beinahe abgedrückt. Hank hatte ihn damit beauftragt, den Zaun abzufahren und die Schlösser zu überprüfen. Dabei hatte Keeley den grünen Pick-up des Jagdaufsehers entdeckt, der im Gelände unterwegs war, um Wild zu zählen. In einem Gebüsch kauernd, hatte er sein Fadenkreuz auf Joe Picketts Nase gerichtet.
Pickett schien gespürt zu haben, dass er beobachtet wurde, denn er hatte sich mehrmals umgesehen, Keeley aber nicht entdeckt.
Es wäre einfach gewesen. Einfacher als der Cowboy. Der Jagdaufseher hätte nicht einmal mehr begriffen, was ihn getroffen hatte. Keeley hatte die Waffe entsichert, die Wange fester an den Schaft des Gewehrs gepresst und behutsam abdrücken wollen â¦
Dann hatte er sich eines Besseren besonnen. Das war ja das Problem: Es war viel zu einfach. Er wollte ihn nicht aus der Distanz töten, ohne dass Pickett wusste, wer das getan hatte und warum. Das Warum war wichtig.
Sogar in der Woche zuvor, als er Joe hinter Stockmanâs Bar zu Boden geschickt hatte, wäre es ein Leichtes gewesen, ihn einfach totzutrampeln. Hank hätte ihn nicht davon abhalten können.
Aber er wollte den Mann nicht einfach töten. Er wollte ihn erst zerstören. Das würde länger dauern.
***
Dass er letzte Nacht Joe Picketts Tochter begegnet war, war eine echte Ãberraschung gewesen, fand Keeley. Sie war schon eine kleine SüÃe, zugegeben. Schade nur, dass er sie sich nicht genauer hatte ansehen können, weil sie in eine Decke gehüllt gewesen war.
Wie alt war sie noch? Was hatte Arlen gesagt? Vierzehn? Das käme etwa hin.
Dann dachte er: April Keeley wäre jetzt zwölf, wenn sie noch leben würde.
Aber sie war tot.
Und er wusste, wer dafür verantwortlich war.
***
Keeley hatte nicht lange gebraucht, um die Lage auf der Thunderhead Ranch einschätzen zu können. Es stand Hank gegen Arlen, und Hank stellte Männer ein. Von denen wurde erwartet, im Ernstfall viel mehr als nur Rancharbeit zu leisten. Es gab die Anweisung, jedem von Arlens Männern entgegenzutreten, der dumm genug war, auf die Ostseite der Ranch zu kommen. Es hatte schon einige Wortgefechte gegeben, bei denen Hanks und Arlens Leute einander gedroht hatten. Keeley hatte einen mexikanischen Bewässerungshelfer, der für Arlen arbeitete, bewusstlos geschlagen. Der Mann wusste nicht mal, was ihn getroffen hatte, und war im Bezirkskrankenhaus mit einer Gehirnerschütterung aufgewacht, die er dem Schlag mit einem Kantholz verdankte.
Keeley hielt sich versteckt, seit er den Jagdaufseher vermöbelt hatte. Da er offiziell für Hank und hinter den Kulissen für Arlen arbeitete, wusste er stets bestens Bescheid, was zwischen ihnen geschah, und womöglich konnte er diese einzigartige Stellung nutzen, um Einfluss auf das Ergebnis der Auseinandersetzung zu nehmen. Ihm war klar, zufällig auf eine groÃartige Gelegenheit gestoÃen zu sein. Und er war nicht bloà schlauer als die Mistkerle in Rawlins, fand er, sondern auch cleverer als die beiden Brüder.
***
Nate Romanowski. Keeley war dieser Name auf der Ranch und in den Bars der Stadt oft genug zu Ohren gekommen, um besorgt zu sein. Dieser Romanowski war ein Freund von Joe Pickett und keiner, mit dem man es sich verderben sollte. Es hieÃ, er stecke hinter zwei Morden, wobei es sich bei einem der Toten um den früheren Sheriff von Saddlestring handelte. Hank hatte gesagt, Romanowski trage angeblich eine .454er Casull der Firma Freedom Arms, die Handfeuerwaffe mit der zweitgröÃten Durchschlagskraft überhaupt, und könne ein Ziel aus bis zu anderthalb Kilometern Entfernung treffen.
Aber Romanowski war nirgends aufzutreiben: Seit einem halben Jahr hatte ihn niemand gesehen. Und das Verschwinden des Outlaw-Falkners würde es ihm, Keeley, erleichtern, den Jagdaufseher zu attackieren.
***
Keeley war gerade damit beschäftigt, das Messer und die Knochensäge in einem der Eimer zu reinigen, als sich im Haus an der Bighorn Road etwas tat. Ja, jemand hatte das Verandalicht eingeschaltet.
Er legte Säge und Messer nebeneinander auf die Heckklappe des Pick-ups, wischte sich die Hände an seiner Jeans trocken, griff erneut zum Fernglas und fasste die Haustür ins Auge.
***
Im gleichen Moment rief Arlen auf der Thunderhead Ranch die Treppe hoch: »Mädchen, Zeit zum Aufstehen. Was
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