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Racheengel

Racheengel

Titel: Racheengel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stuart Neville
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Zunge aus dem Maul hing.
    Die Waffe gefiel Paynter. Sie machte zwar Krach und tat seinem Arm weh, aber sie abzufeuern war ein gutes Gefühl. Er musterte die Pistole des Polizisten, die ein paar Meter weit weggeschlittert war, und fragte sich, ob da wohl auch solche Patronen drin waren. Äußerlich sah sie jedenfalls genauso aus wie die, die er dem Polizisten gerade an die Stirn drückte.
    »Hast du schon mal einen erschossen?«, fragte er.
    Der Polizist zögerte. »Nein.«
    »Glaube ich dir nicht. Bist du schon mal angeschossen worden?«
    »Ja«, sagte der Polizist.
    »Hat es wehgetan?«
    »Ja.«
    »Hattest du Angst?«
    »Ja.«
    »Hast du jetzt auch Angst?«
    »Ja.«
    »Gut«, sagte Paynter. »Ich bin ein Werkzeug des Herrn, und Angst ist darauf die einzig richtige Reaktion. Hat mich Jahre gekostet, das zu begreifen. Wenn Leute mich komisch angeguckt haben, wenn Mädchen nicht mit mir sprechen wollten, dann habe ich immer geglaubt, mit mir stimmt was nicht. Aber so war es gar nicht. Sie haben sich so verhalten, wie sie sich verhalten mussten . Sie hatten Angst.«
    Er stand auf, hielt aber die Pistole weiter auf den Kopf des Polizisten gerichtet.
    »Was hat er noch mal gesagt, wie dein Name ist? Lennon, glaube ich. Also, Mr. Lennon, Zeit für mich zu gehen.«
    Der Atem des Polizisten ging schneller, sein Brustkorb hob und senkte sich. Paynter erhöhte den Fingerdruck auf den Abzug, er spürte den Widerstand, eine Haaresbreite zwischen Schrecken und ewiger Ruhe. Der Polizist kniff die Augen zusammen und hob die Hände in dem sinnlosen Versuch, sich zu schützen.
    Genug, dachte Paynter, bringen wir es …
    Der Fußboden schoss auf ihn zu, die Pistole ging los, die Kugel schlug in den Beton. Einen Moment lang konnte er sich noch fragen, was ihm den Schlag versetzt und ihn niedergestreckt hatte, dann traf ihn etwas Hartes auf den Hinterkopf.

67
    Lennon fühlte eher, als dass er sah, wie das Mädchen auf Paynter eindrosch. Er hatte sie kommen sehen und die Unterarme vor sein Gesicht gehalten, um den Schlägen zu entgehen.
    Das Mädchen stieß einen animalischen Schrei aus und ging mit dem Stuhl, an den es immer noch mit einem Handgelenk gefesselt war, auf seinen Peiniger los. Lennon kroch mühsam zurück, da holte sie auch schon aus und ließ den Stuhl auf Paynters Kopf krachen. Lennon strampelte mit den Beinen, die sich in denen des anderen verhakt hatten, und rollte auf die Seite, um sich seine Glock zurückzuholen.
    Ächzend versuchte Paynter, die Schläge mit den Händen abzuwehren, aber der Entschlossenheit des Mädchens hatte er nichts entgegenzusetzen. Ein paar Sekunden lang sah es so aus, als hätte er aufgegeben, dann jedoch trat er mit seinem Stiefel aus. Er traf den Stuhl und brachte das Mädchen aus dem Gleichgewicht.
    Lennon sprang auf und riss die Glock hoch. »Keine Bewegung«, rief er. »Sonst verpasse ich Ihnen eine Kugel, das schwöre ich bei Gott.«
    Paynter starrte eine Sekunde lang ungläubig zu ihm hoch, dann lachte er schallend los.
    Das Mädchen holte mit dem Stuhl aus und wollte noch einmal zuschlagen, aber Lennon stellte sich zwischen sie und Paynter.
    »Was ist daran so witzig?«, fragte er.
    »Du schwörst bei Gott? Glaubst du denn etwa, den Herrn Jesus Christus schert es, welche Versprechungen du machst?«
    Lennon suchte nach einer passenden Antwort. Als ihm keine einfiel, tat er das Einzige, was ihm in den Sinn kam: Er trat Paynter fest in den Unterleib.
    Paynter krümmte sich und rollte auf die Seite. Sein Gesicht wurde erst rosa und dann puterrot.
    Das Mädchen lag zusammengekauert an der Wand und murmelte irgendetwas. Irgendwo draußen in der kalten Nacht war das Geheul der Sirenen zu hören. Lennon hockte sich neben sie. »Alles in Ordnung«, sagte er. »Gleich kommt Hilfe.«
    Paynter wand sich stöhnend.
    »Eine einzige Bewegung, dann schieße ich«, warnte ihn Lennon. »Verstanden?«
    Paynter antwortete nicht. Er würgte nur und spuckte auf den Boden.
    Lennon behielt ihn im Auge und hörte dem Mädchen zu. Die Worte sprudelten nur so aus ihr heraus, in irgendeiner Sprache mit starkem slawischem Akzent, die er nicht einmal erkannte, geschweige denn verstand. Litauisch? Lettisch? Polnisch?
    Was auch immer sie sagte, sie wiederholte es wieder und wieder, bis es sich anhörte wie ein Mantra, ein irres Gebet zu einem tauben Gott.
    Lennon sah sie kurz an. »Sprechen Sie Englisch?«
    Die Sirenen kamen immer näher, man hörte schon die aufheulenden Motoren.
    »Wie heißen Sie?«, fragte

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