Rachekind: Thriller (German Edition)
fuhr sich mit den Fingern durch ihre vom Duschen noch nassen Haare. Als sie verschwitzt und aufgebracht in die Wohnung gepoltert war, hatte Britt sie nur angesehen und ihr wortlos ein Glas von Steves Cognac eingeschenkt.
Hanna merkte, wie sie ruhiger wurde. Sie war nicht machtlos. Wenn die Polizei nichts unternahm, würde sie eben selbst nach ihm suchen. Sie sah sich nach Britt um, die am Küchentisch saß und Lilou fütterte, als hätte sie seit Jahren nichts anderes getan. Jedes Mal ließ sie den Löffel wie einen Propeller vor Lilous Kopf kreisen, bevor sie ihn ihr in den Mund schob. Hanna war froh, jetzt nicht allein zu sein, und sie war froh, nicht reden zu müssen, sondern einfach nur hier stehen zu dürfen, während sie darauf wartete, dass das Nudelwasser kochte. Britt musste einen sechsten Sinn dafür haben, wann man einen Raum mit belanglosem Gerede füllen durfte und wann es besser war zu schweigen.
In keinem anderen Zimmer war Steve so präsent wie hier, wo sein Lieblingsregal mit den Büchern und sein dunkler Holztisch die Küche in einen gemütlichen Wohnraum verwandelt hatten. So wie Steve es ihr versprochen hatte, als sie unterwegs gewesen waren, um die hellen Fronten und die Arbeitsplatte gemeinsam auszusuchen. Hanna strich über die glatte Oberfläche der Schublade und lächelte. Diese Schublade hatte sie damals beim Einbau den letzten Nerv gekostet und ihr bewiesen, dass sie den richtigen Mann gefunden hatte.
»Das Wasser kocht.« Britts Stimme schreckte sie aus ihren Gedanken.
Sie schüttete die Nudeln ins Wasser und stellte die Eieruhr auf zwölf Minuten. Dann ging sie zum Tisch und setzte sich zu Britt.
Sie zog die Tischschublade auf. Die riesigen Augen des Gnoms starrten sie von Lilous Plastikuntersetzer an. Gestern Abend hatte sie ihn unter die Korksets eingeordnet. Wie immer. Oder war sie so sehr mit ihren Gedanken beschäftigt gewesen, dass sie ihn einfach obenauf gelegt hatte?
Sie griff nach zwei Korksets. Ihr fehlte wahrscheinlich nur etwas Schlaf. Erst die unruhigen Nächte im Krankenhaus, dann dieser schreckliche Albtraum gestern Nacht. Die Schreie der Kinder. Das gehetzte Atmen, die fliegenden Beine in der Dunkelheit. Die großen, haarigen Spinnen, die von überallher zu kommen schienen.
»Den Brei, den du mir für sie hingestellt hast, hat sie übrigens wieder nicht gewollt.«
Hanna ließ die Sets sinken. »Ich verstehe das nicht. Bisher mussten wir sie regelrecht dazu zwingen, auch mal was anderes zu essen. Steve hat sich oft darüber lustig gemacht. So wie sie das Zeug verschlingt, kann sie eigentlich nicht meine Tochter sein, hat er immer gesagt. Er hasst jede Art von Brei.« Hanna warf einen besorgten Blick auf Lilou. »Meinst du, das hat etwas mit dem Krankenhaus zu tun? Oder mit ihrem Atemstillstand?«
Britt zuckte mit den Schultern. »Ich habe angeblich als Baby nur Karottenbrei gegessen, und heute kannst du mich mit Karotten in jeder Form jagen. Ist doch egal, was sie isst. Hauptsache, sie hat Appetit, oder?«
»Vielleicht hast du recht«, sagte Hanna, ohne wirklich überzeugt zu sein. Sie verteilte die Sets auf dem Tisch. Die Unruhe kehrte zurück.
Sie stand auf und ging an den Herd. Wo bist du, Steve? Hast du wirklich die Nase voll von uns? Ist dir Lilou zu anstrengend? Sie nahm zwei Teller aus dem Schrank und stellte sie neben den Topf. Manchmal war er alleine unterwegs gewesen, mit seinen Fußballkumpels, nie lang, vielleicht zwei, zweieinhalb Stunden, auf ein Bier im Kaisergarten oder in der Domklause. Ein Stich durchfuhr sie. Hatte er doch eine andere kennengelernt?
»Wann hattet ihr denn das letzte Mal Sex?« Britt wischte Lilou den Mund ab.
Hanna fuhr zusammen. Konnte Britt Gedanken lesen? »Jetzt schau mich nicht so an, ich meine es nicht böse. Was glaubst du, wie oft ich das schon erlebt habe. Erst die Hochzeit und die Traumfrisur mit romantischen Korkenzieherlöckchen. Dann die Schwangerschaft, die das große Glück perfekt machen soll, trotz des Haarausfalls beim Stillen. Und dann kommen sie eines Tages und wollen einen komplett neuen Look. Dann weiß ich schon Bescheid …«
»Jetzt mach aber mal einen Punkt«, fuhr Hanna auf. »Du kennst Steve überhaupt nicht! Das sind doch Binsenweisheiten, mit denen du hier um dich wirfst. Die sind genauso haltlos wie deine Theorie, dass man von einer Tasse Kaffee einen schlechten Teint bekommt.«
Britt zuckte zusammen.
»Steve und ich …« Hanna senkte ihre Stimme und streckte ihre Hand schützend nach Lilou
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