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Rachekind: Thriller (German Edition)

Rachekind: Thriller (German Edition)

Titel: Rachekind: Thriller (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Janet Clark
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Frau. Lilou steuerte fröhlich auf eine Pfütze in einer Senke des Kopfsteinpflasters zu. Hanna nahm sie an der Hand. Drehte ihren Kopf weg, um nicht in die spiegelnde Wasserfläche der Pfütze sehen zu müssen. Ihre Nerven lagen blank.
    Sie erreichten die winzige Gasse zwischen Schmiedstraße und Münsterplatz. Hanna passierte die Gasse und blieb vor dem schweren Portal des Doms stehen. Dort nahm sie Lilou auf den Arm und betrat das Gotteshaus.
    Sie verzichtete darauf, sich wie sonst mit Lilou unter die goldene Kuppel zu stellen, und ging direkt zu den Opferkerzen neben der Marienstatue. Dort warf sie einen Euro in die Spendenbox, nahm eine Kerze und zündete sie an. Sie war normalerweise nicht der Typ, der Stoßgebete zum Himmel sandte, doch heute tat sie genau das. Sie bat um Stärke und um Erlösung von ihrer selbstzerstörerischen Wut auf Steve. Sie bat um Gesundheit und eine normale Entwicklung von Lilou. Sie bat um Klarheit und um das Verschwinden von Erscheinungen, Halluzinationen und unsichtbaren Freunden, die Lilou und sie in den Wahnsinn trieben.
    Im Gegensatz zur Illusion, bei der ein existenter Sachverhalt manipuliert wird, sieht man bei einer Halluzination physikalisch nicht nachweisbare Objekte oder hört Stimmen, die nicht existieren, ohne dass eine nachweisbare Reizgrundlage vorliegen muss. Dabei kann der Halluzinierende allerdings die Halluzination nicht von der Realität unterscheiden. Bei einer Wahnwahrnehmung hingegen wird eine reale Wahrnehmung mit einer wahnhaften Bedeutung verknüpft. Die häufigsten Ursachen für Halluzinationen sind psychische Störungen, oft ausgelöst durch Entzug oder krankhafte Veränderungen des Gehirns oder auch die Einnahme von …
    Hanna scrollte den Text nach unten. Nach dem, was sie bisher im Internet gefunden hatte, war Steves plötzliches Erscheinen im Spiegel weder eine Illusion noch eine Wahnvorstellung. Auch keine Halluzination. Sie wusste genau, dass das Abbild von Steve im Spiegel nicht real war. Was also dann? Verrückt. Sie überflog eine weitere Textpassage.
    Bei einer Pseudohalluzination hingegen ist sich der Halluzinierende bewusst, dass es sich um keine reale Wahrnehmung handelt. Auslöser für Pseudohalluzinationen können Übermüdung und Halbschlaf sein.
    Das passte. Eine Pseudohalluzination. Sie brach ein Stück Schokolade ab und ließ es auf ihrer Zunge zergehen. Es wäre eine Erklärung. Sie war übermüdet. Zum Einschlafen brauchte sie ewig, trotz der Laufsessions, mit denen sie sich fast jeden Abend auf ihrem Laufband auspowerte. Sie schlief fast keine Nacht durch. Obwohl der Traum sie nicht mehr erschreckte. Sie hatte sich an die kreischenden Kinder und die schwarzen Augen der Spinnen gewöhnt, an ihre haarigen Körper und die schnelle Bewegung ihrer staksigen Beine.
    An der unteren Leiste blinkte das Chatfenster auf. Hanna sah auf die Uhr und lächelte.
    Marten: Hallo Hanna. Was hat der Kinderpsychologe gesagt?
    Hanna: Alles in Ordnung.
    Marten: Das freut mich! Feierst du?
    Hanna: Ich glaube nicht, dass alles in Ordnung ist.
    Das nagende Gefühl, dass mit Lilou etwas nicht stimmte, meldete sich zurück.
    Marten: Willst du darüber reden?
    Hanna: Weiß nicht. Ich habe Britt vorhin davon erzählt, die denkt jetzt, dass ich gaga bin.
    Marten: Gaga unter Freunden ist okay.
    Unter Freunden. Marten Stein war tatsächlich ein Freund geworden. Auch wenn sie nur miteinander chatteten. Dies jedoch fast täglich, seitdem sich ihre anfangs zufälligen Treffen im Netz zu einem Ritual entwickelt hatten, ohne das für Hanna ein Tag nicht mehr vollständig war. Sie redeten nie über Steve, als ob Marten instinktiv wusste, dass dieses Thema tabu war.
    Hanna: Ist zu kompliziert fürs Chatten.
    Marten: Lust auf Kalbsgeschnetzeltes à la Marten?
    Hanna: Klingt lecker.
    Marten: Samstag? Bei dir? Ich koche – du erzählst.
    Hanna klimperte mit den Fingern auf den Tasten, ohne sie anzuschlagen. Seit der Rückkehr aus England hatte sie Marten nicht mehr gesehen. Telefon. Chat. Das bot den sicheren Abstand, den sie zurzeit brauchte. Schluss damit.
    Hanna: Komm doch um elf Uhr, dann essen wir mit Lilou zu Mittag.
    Marten: Ich bring die Zutaten mit.
    Hanna kehrte zu den Suchseiten zurück und gab »Unsichtbare Freunde« ein. Eine Seite mit Suchergebnissen erschien. Voller Elan vertiefte sie sich in die Lektüre der Artikel, bis Lilous schrilles Weinen sie herausriss. Sie sprang auf, lief in Lilous Zimmer, knipste das Licht an und hob sie aus dem Bett.
    »Psst,

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