Racheklingen
zu beißen. Einmal werde ich mein Wort ja wohl halten können.«
Sie hockte sich neben ihn. »Ich würde dich lieber noch einmal einen Betrüger nennen und dich weiter in meinem Rücken wissen.«
»Dort habe ich mich doch immer nur aufgehalten … weil ich so gerne deinen Hintern angestarrt habe.« Er zeigte die Zähne, verzog schmerzerfüllt das Gesicht und stieß ein langgezogenes, knurrendes Stöhnen aus. Der Lärm am Tor wurde lauter.
Freundlich hielt Cosca seinen Degen hin. »Sie werden kommen. Willst du den hier?«
»Wieso sollte ich? Das Herumfummeln mit diesen Dingern hat mich überhaupt erst in diese Klemme gebracht.« Er versuchte sich ein wenig zu bewegen, ließ sich dann vor Schmerz verkrampft zurücksinken, und seine Haut zeigte bereits jenes wächserne Glänzen, wie man es an Leichen sieht.
Vitari und Morveer hatten Espe über die Dachrinne bis auf die Schindeln gezogen. Monza nickte Freundlich zu. »Du bist dran.«
Er verharrte kurz in der Hocke, bewegte sich nicht, sah dann Cosca an. »Soll ich hierbleiben?«
Der alte Söldner nahm Freundlichs große Hand und lächelte, als er sie drückte. »Ich finde keine Worte, so berührt bin ich von deinem Angebot. Aber nein, mein Freund. Dem hier stelle ich mich am besten ganz allein. Lass die Würfel einmal für mich rollen.«
»Das mach ich.« Freundlich erhob sich und ging zum Seil, ohne sich noch einmal umzusehen. Monza folgte ihm mit ihrem Blick. Ihre Hände, ihre Schulter, ihr Bein brannten, ihr geschundener Körper schmerzte. Ihre Augen glitten über die Leichen, die im Garten verstreut lagen. Süßer Sieg. Süße Rache. Männer, die zu totem Fleisch geworden waren.
»Tu mir einen Gefallen.« Cosca lächelte traurig, als hätte er ihre Gedanken erraten.
»Du bist wegen mir zurückgekommen, oder? Einen Gefallen kann ich dir dafür wohl tun.«
»Vergib mir.«
Sie machte ein Geräusch zwischen Schnauben und Würgen. »Ich dachte, ich hätte dich verraten und nicht umgekehrt?«
»Was spielt das jetzt noch für eine Rolle? Verrat ist allgegenwärtig. Vergebung ist selten. Ich möchte lieber schuldenfrei abtreten. Abgesehen natürlich von all dem Geld, das ich in Ospria noch schuldig bin. Und in Adua. Und in Dagoska.« Er machte eine schwache Handbewegung. »Sagen wir, wir schulden uns nichts mehr, und belassen es dabei.«
»Das kann ich tun. Wir sind quitt.«
»Gut. Ich habe wie Scheiße gelebt. Schön zu sehen, dass ich es zumindest mit dem Sterben besser hinbekomme. Ab mit dir.«
Ein Teil von ihr wollte bei ihm bleiben, um da zu sein, wenn Orsos Männer durch das Tor brachen, um sicherzugehen, dass wirklich keine Schulden unbezahlt blieben. Aber kein so großer Teil. Sie war niemals gefühlsduselig gewesen. Orso musste sterben, und wenn sie hier getötet wurde, wer würde die Sache weiter vorantreiben? Sie zog den Calvez aus dem Boden, ließ ihn wieder in die Scheide gleiten und wandte sich ohne ein weiteres Wort um. Worte sind in einem solchen Augenblick keine geeigneten Werkzeuge. Sie humpelte zum Seil hinüber, band es sich so gut um die Hüften, wie es ging, und wickelte es sich ums Handgelenk.
»Los!«
Vom Dach aus konnte Monza über die ganze Stadt blicken. Über den weiten Bogen der Visser und ihre eleganten Brücken. Die vielen Türme, die in den Himmel ragten und nun von den Rauchsäulen der Feuer überall überschattet wurden. Day hatte von irgendjemandem eine Birne bekommen und biss glücklich hinein. Ihre blonden Locken wehten in der Brise, und Saft glitzerte auf ihrem Kinn.
Morveer betrachtete mit gehobenen Augenbrauen das Blutbad im Garten. »Ich freue mich zu sehen, dass es Ihnen in meiner Abwesenheit bestens gelungen ist, das Abschlachten möglichst gering zu halten.«
»Manche Dinge ändern sich nie«, zischte sie zurück.
»Cosca?«, fragte Vitari.
»Kommt nicht.«
Morveer verzog den Mund zu einem ekelhaften kleinen Lächeln. »Hat er es dieses Mal nicht geschafft, die eigene Haut zu retten? Also kann auch ein Trunkenbold sich ändern.«
Er mochte sie ja gerade aus einer bösen Klemme befreit haben, aber Monza hätte ihn in diesem Augenblick erstochen, wenn ihr eine gesunde Hand dafür geblieben wäre. Danach zu urteilen, wie Vitari den Giftmischer anfletschte, dachte sie genauso. Stattdessen neigte sie ihren stachligen Kopf zum Fluss hinunter. »Wir sollten das tränenreiche Wiedersehen unten im Boot veranstalten. In der Stadt wimmelt es vor Orsos Soldaten. Es wird höchste Zeit, dass wir auf die hohe See
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