Racheklingen
Gefühl, dass Sie und ich für einander gut sein werden, Generalin Murcatto. Ich freue mich darauf, morgen die Nachricht von Ihrem Sieg zu hören.« Und damit ging er.
Als die Zelttür wieder herunterklappte, versetzte Monza ihrem Bruder einen so heftigen Schlag ins Gesicht, dass er stürzte. »Was hast du angestellt, Benna? Was hast du nur getan?«
Er sah schmollend zu ihr auf, eine Hand am blutenden Mund. »Ich dachte, du würdest dich freuen.«
»Nein, das tue ich verdammt noch mal nicht! Du dachtest, du würdest dich freuen. Ich hoffe, das tust du.«
Aber es blieb ihr nichts anderes übrig, als ihm zu vergeben und das Beste daraus zu machen. Er war ihr Bruder. Der Einzige, der sie wirklich kannte. Und Sesaria, Victus, Andiche und die meisten anderen Hauptmänner hatten zugestimmt. Sie alle hatten Nicomo Cosca gründlich satt. Also gab es kein Zurück mehr. Am nächsten Tag, als von Osten das Morgengrauen heranzog und sie sich auf die kommende Schlacht vorbereiteten, befahl Monza ihren Männern, ernsthaft anzugreifen. Was hätte sie sonst tun können?
Als der Abend kam, saß sie auf Coscas Stuhl, Benna grinsend an ihrer Seite, und die um einiges reicher gewordenen Hauptmänner tranken auf ihren ersten Sieg. Alle lachten, außer ihr. Sie dachte an Cosca, an alles, was er ihr gegeben hatte, was sie ihm schuldete und wie sie es ihm heute vergolten hatte. Sie war nicht in Feierstimmung.
Davon abgesehen war sie die Generalhauptmännin der Tausend Klingen. Ein Lachen konnte sie sich nicht leisten.
SECHSEN
Die Würfel zeigten zwei Sechsen.
In der Union nennt man dieses Ergebnis die Sonnen, nach der Sonne auf der Flagge. In Baol heißt es Zweimalgewinn, weil das Haus dafür doppelt bezahlt. In Gurkhul nennt man es Prophet oder Imperator, je nachdem, wem man die Treue hält. In Thond ist es das Goldene Dutzend. Auf den Tausendinseln heißt es Zwölf Winde. In der Sicherheit nennt man es den Schließer, weil der Schließer immer gewinnt. Überall im ganzen Weltenrund jubeln Männer angesichts dieses Wurfs, aber für Freundlich war er so gut wie jeder andere. Er wandte seine Aufmerksamkeit wieder der großen Brücke von Puranti zu und den Menschen, die sie überquerten.
Die Gesichter der Statuen auf ihren hohen Säulen waren zwar vom Zahn der Zeit zu narbiger Formlosigkeit geschliffen worden, die Straße zeigte zahllose Altersrisse auf und die Brüstung bröckelte, aber die sechs Brückenbogen erhoben sich noch immer hoch und elegant über der schwindelerregenden Tiefe, über die sie sich spannten. Die großen Felsblöcke, auf denen sie standen, sechsmal sechs Schritt hoch, trotzten noch immer den schäumenden Fluten. Sechshundert Jahre alt und mehr, war die Kaiserliche Brücke noch immer der einzige Weg, um die Schlucht der Pura zu dieser Jahreszeit zu überqueren. Die einzige Möglichkeit, Ospria auf dem Landweg zu erreichen. Das Heer des Großherzogs Rogont marschierte in ordentlicher Aufstellung darüber, sechs Mann in jeder Reihe. Das rhythmische Tramp-tramp ihrer Stiefel klang wie ein mächtiger Herzschlag, der vom Rasseln und Klappern der Waffen und Rüstungen, den gelegentlichen Rufen der Offiziere, dem Raunen der Zuschauer und dem rauschenden Gurgeln des Flusses begleitet wurde. Den ganzen Morgen schon marschierten sie, eine Kompanie, ein Bataillon, ein Regiment nach dem anderen. Ein vorrückender Wald aus Speerspitzen, schimmerndem Metall und nietenbeschlagenem Leder. Staubige, dreckige, entschlossene Gesichter. Stolze Flaggen hingen schlaff in der stillen Luft. Vor kurzem war die sechshundertste Reihe an ihnen vorbeigezogen. Um die viertausend Mann hatten den Fluss bereits überquert, und mindestens noch einmal so viele würden noch folgen. Sechs um sechs um sechs rückten stetig nach.
»Gute Aufstellung für einen Rückzug.« Espes Stimme war seit Visserine zu einem kehligen Wispern verdorrt.
Vitari schnaubte. »Wenn es eins gibt, worauf sich Rogont versteht, dann ist es ein Rückzug. Darin hat er auch genug Übung.«
»Man muss jedoch die Ironie zu würdigen wissen«, bemerkte Morveer, der die Soldaten mit einem leicht verächtlichen Blick vorüberziehen ließ. »Die stolzen Legionen unserer Tage marschieren über die letzten Überbleibsel der gefallenen Reiche der Vergangenheit. So ist es stets mit der Zurschaustellung militärischer Macht. Fleischgewordene Anmaßung.«
»Wie unglaublich tiefsinnig.« Murcatto verzog den Mund. »Eine Reise mit dem großen Morveer ist nicht nur die reine Freude,
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