Racheklingen
schnell wieder in die Hände ihrer Besitzer zu mogeln.«
»Ich vermute doch, dass Orso Sie weiterhin beschäftigen wird«, sagte Benna. »Und wenn auch nur, um die Fliesen zu polieren.«
Ganmark zog nicht einmal scharf die Luft ein. »Dann wird Seine Exzellenz die saubersten Böden von ganz Styrien haben.«
Eine hohe zweiflüglige Tür wartete am Ende der Treppe, mit schimmernden Intarsien und geschnitzten Löwenköpfen geschmückt. Ein gedrungener Mann tigerte davor hin und her wie ein ergebener alter Hund vor dem Schlafgemach seines Herrn. Es war der Getreue Carpi, jener Hauptmann der Tausend Klingen, der am längsten bei der Truppe war. Sein breites, verwittertes, ehrliches Gesicht zierten die Narben von hundert Scharmützeln.
»Getreuer!« Benna ergriff die kohlenschaufelgroße Hand des alten Söldners. »Bist du in deinem Alter noch diesen Berg hochgeklettert? Solltest du nicht vielmehr in irgendeinem Hurenhaus sein?«
»Wenn ich das nur wäre.« Carpi zuckte die Achseln. »Aber Seine Exzellenz hat nach mir geschickt.«
»Und da du so verlässlich bist … hast du gehorcht.«
»Deswegen nennen sie mich den Getreuen.«
»Wie hast du die Dinge in Burletta hinterlassen?«, fragte Monza.
»Ruhig. Die meisten Männer haben vor den Mauern mit Andiche und Victus ein Lager bezogen. Ich hielt es für das Beste, wenn sie die Stadt nicht niederbrennen. Einige der verlässlicheren Leute habe ich in Cantains Palast stationiert; Sesaria passt auf sie auf. Alte Haudegen so wie ich, noch aus Coscas Zeit. Erfahrene Leute, die nicht zu übereilten Handlungen neigen.«
Benna kicherte. »Die langsam denken, meinst du?«
»Langsam, aber stetig. Wir werden unser Ziel am Ende erreichen.«
»Gehen wir hinein?« Foscar stemmte seine Schulter gegen einen der Türflügel und schob ihn auf. Ganmark und der Getreue folgten ihm. Monza hielt auf der Schwelle einen Augenblick inne und versuchte, ihr unbarmherzigstes Gesicht zu machen. Als sie aufsah, lächelte Benna sie an. Unwillkürlich lächelte sie zurück. Sie beugte sich vor und flüsterte ihm ins Ohr:
»Ich liebe dich.«
»Natürlich tust du das.« Er trat über die Schwelle, und sie ging ihm nach.
Herzog Orsos privates Arbeitszimmer war eine Marmorhalle von der Größe eines Marktplatzes. Hohe Fenster sammelten sich in kühner Reihe eine Wand entlang, weit geöffnet, um eine kühle Brise einzulassen, die mit den bunten Vorhängen spielte. Dahinter schien eine lange Terrasse in der leeren Luft zu hängen und über den steilsten Abhang des ganzen Berggipfels hinauszuragen.
Die gegenüberliegende Wand war mit riesenhaften Gemälden bedeckt, die von den führenden Künstlern Styriens geschaffen worden waren und die großen Schlachten der Geschichte zeigten. Die Siege, die Stolicus, Harod der Große, Farans oder Verturio errungen hatten, plakativ in Ölfarbe gebannt. Sie vermittelten deutlich die Botschaft, dass es sich bei Orso um den jüngsten Spross einer Linie königlicher Gewinner handelte, obgleich sein Urgroßvater ein Thronräuber und darüber hinaus ein gemeiner Verbrecher gewesen war.
Das größte Gemälde hing der Tür gegenüber und war mindestens zehn Schritte hoch. Wen hätte es anders zeigen können als Großherzog Orso persönlich? Er saß auf einem sich aufbäumenden Streitross, den schimmernden Säbel hoch erhoben, das durchdringende Auge auf den weiten Horizont gerichtet, und führte seine Männer in der Schlacht von Etrea zum Sieg. Der Maler schien sich der Tatsache nicht bewusst gewesen zu sein, dass Orso keine fünfzig Meilen an die Kämpfe herangekommen war.
Aber eine schöne Lüge ist der langweiligen Wahrheit stets überlegen, hatte er ihr oft gesagt.
Der Herzog von Talins saß leicht vornübergebeugt an seinem Schreibtisch und schwang statt eines Säbels die Feder. Ein hochgewachsener, hagerer Mann mit einer Hakennase stand neben ihm und bedachte das Papier mit dem Blick eines Geiers, der auf den Tod verdurstender Reisender wartet. In ihrer Nähe, in den Schatten der Wand, lauerte eine ungeschlachte Gestalt. Gobba, Orsos Leibwächter, mit einem dicken Hals, wie ein großes Schwein. Prinz Ario, der älteste Sohn des Herzogs und sein Erbe, lümmelte in einem vergoldeten Sessel nahe bei seinem Vater. Er hatte die Beine überschlagen, hielt lässig ein Weinglas in der Hand und trug ein mattes Lächeln auf seinem nichtssagend schönen Gesicht.
»Ich habe diese Bettler auf dem Schlossgelände aufgelesen«, rief Foscar, »und ich dachte, ich übergebe
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