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Rachekuss

Rachekuss

Titel: Rachekuss Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bettina Broemme
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griff es sich und machte ein paar Fotos von Stoffi, der wieder die Flasche angesetzt hatte und dabei wie ein Sirtaki-Tänzer durchs Wohnzimmer galoppierte. Carina kreischte vor Lachen, während sich Flora angeekelt abwandte. Sie musste sowieso schon wieder gehen und die Tür öffnen, da es Sturm klingelte. Die Zahl der Leute, die davorstanden, war nicht mehr so auf einen Blick abzuschätzen. Sie erkannte als einzige Leonie, das Mädchen aus dem Theaterkurs. Auch heute trug sie wieder ihren schwarzen Ledermantel und die dunkel geschminkten Augen unterstrichen ihre Blässe noch mehr. Flora sah sich etwas besorgt nach Carina oder wenigstens Yannik um, konnte aber beide nicht entdecken. Die Meute kümmerte sich nicht weiter um Flora und schob sich an ihr vorbei ins Haus. Überall lagen nun Jacken, ein paar hatten ihre Schuhe ausgezogen, das Buffet war längst leer gegessen und der erste Bierkasten ausgetrunken. Dabei war es noch nicht einmal neun.
    »Hatten wir so viele eingeladen?«, schrie Flora gegen die erneut aufgedrehte Musikanlage, als sie Carina endlich neben dem Couchtisch auf dem Boden hockend entdeckte, neben ihr ein südländischer Typ. Carina zuckte die Achseln.
    »Ich weiß nicht genau«, sagte sie fröhlich. »Ist doch egal, ist doch ’ne coole Party.« Sie prostete Flora mit ihrem Sektglas zu und Flora fiel jetzt erst auf, dass die Champagnerflasche, die ihr Carina geschenkt hatte, bereits leer war, ohne dass sie einen einzigen Schluck davon abbekommen hatte.
    In der Küche fand sie Yannik mit seinem Freund Jörgi sowie Marie und Xenia, die sie ganz gewiss nicht eingeladen hatte und die gerade den Inhalt des Kühlschranks inspizierten.
    »Lasst noch was zum Frühstück übrig«, rief Flora, aber sie hatte den Eindruck, dass sie auch brasilianisch hätte reden können – keiner schien sie zu verstehen.
    Egal, überlegte sie. Das ist mein Geburtstag. Da darf es auch mal hoch hergehen. Doch als sie ins Wohnzimmer zurückkam, war sie sich nicht mehr so sicher. Man konnte den großen Raum kaum noch durchqueren, so viele Leute quetschten sich darin. Die Haustür stand offen, vor der Tür hatten sich schon plaudernde und rauchende Grüppchen gebildet. Wodka-Flaschen gingen herum, und wenn Flora nicht alles täuschte, lag ein süßer Duft von Haschzigaretten in der Luft. Carina war ins Gespräch versunken mit dem dunkelhaarigen Jungen, der Türke oder Grieche sein mochte und den Flora noch nie gesehen hatte. Carina hing geradezu an seinen Lippen, fuhr sich immer wieder durchs Haar und lächelte lasziv. Flora wollte sie bei ihrem Flirt nicht stören. Sie freute sich, dass ihre Freundin sich endlich auch einmal für einen Jungen interessierte. Und auch der Typ schien von Carina ganz betört zu sein. Wie unabsichtlich berührte er das Mädchen immer wieder und es war klar, dass die beiden die Welt um sich herum beinahe vergessen hatten.
    Um elf war Flora kurz davor, ihre Eltern anzurufen. Oder die Polizei. Das Erdgeschoss war übersät von Menschen, die sich wie wimmelnde Maden breitmachten: Überall saß oder stand jemand, einige Mädchen hüpften im Takt der lauten, kreischenden Musik mit hochhackigen Schuhen auf dem Sofa herum, obwohl Flora schon ein paar Mal versucht hatte, sie herunterzuzerren. Die Mädchen, die Flora alle nicht kannte, hatten aber nur versucht, sie festzuhalten und ihr Prosecco in den Mund zu kippen.
    Flora hatte das beängstigende Gefühl, wenn sie sich auf einer Seite bemühte, die Leute zur Besinnung zu bringen, ging es auf der anderen schon wieder los, und zwar schlimmer als zuvor. Viele Wodkaflaschen kullerten bereits leer über den Boden, trotzdem schien beinahe jeder ein gefülltes Glas dieser farblosen, geschmacklosen Flüssigkeit in Händen zu halten. Jedes Mal wenn sie auf Yannik stieß und ihm verzweifelt ins Ohr brüllte, dass er ihr doch bitte helfen solle, dieses Chaos in den Griff zu bekommen, drückte er ihr nur seine feuchten Lippen auf den Mund und sie konnte seine alkoholgetränkte Spucke schmecken, sodass sie ihn angewidert von sich stieß. Wozu er nur hämisch grinste. Carina war ganz verschwunden, ebenso der Typ, mit dem sie geflirtet hatte. Auf dem riesigen Fernsehbildschirm lief »Düstere Legenden«, ein paar Unverdrossene versuchten sogar, dem Inhalt zu folgen, und drehten den Ton immer lauter. Allerdings gelang es nur den mörderischsten Schreien, die Musik und die Menschenmenge zu übertönen. Die Halloween-Deko war komplett von den Wänden gerissen, überall

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