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Rachekuss

Rachekuss

Titel: Rachekuss Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bettina Broemme
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»Düstere Legenden«. Flora mochte diese Filme eigentlich gar nicht besonders gerne, aber sie hatte den Eindruck, es war ein guter Weg zu beweisen, wie lässig sie mit dem Vorfall in der Schule fertig geworden war. Dann würde sie eben damit kokettieren, dass man versucht hatte, sie als blutrünstige Vampirin oder was auch immer zu diskreditieren. Und Carina konnte als ihre Jüngerin auftreten. Sie hatte sich passend zum Abend zu einer löchrigen schwarzen Strumpfhose und einem zipfeligen schwarzen Minirock ein ähnliches T-Shirt ausgesucht wie das, welches sie Flora geschenkt hatte, nur mit einer riesigen neongelben Spinne darauf. In ihre kurzen blonden Haare hatte sie lange schwarze Fäden geflochten und sich spitze Vampirzähne unter den knallroten Mund geschminkt. Die pinke Strähne stand in feurigem Kontrast dazu. Flora trug zu ihrem neuen T-Shirt eine knallenge schwarze Lederhose und hohe schwarze Stiefel. Nur mit der Schminke war sie zurückhaltend wie üblich.
    »Schau mal«, sagte Carina, als sie eine Platte mit Antipasti auf den weißen Esstisch stellte, auf dem sie das Buffet aufgebaut hatten. »Es schneit!« Verwundert öffnete Flora die Terrassentür und blickte in den dunklen Nachthimmel. Kleine, feine Flocken tanzten herab, legten sich kalt auf ihre nackten Arme und brachten ihren Körper zum Zittern. »So früh im Jahr?«, fragte Flora.
    Carina nickte. »Klar, das ist oft so, dass es hier einmal schon ganz früh schneit. Bringt dir bestimmt Glück: Jede Flocke ist ein Wunsch, der in Erfüllung geht.«
    Obwohl sie fror, streckte Flora die Arme aus und tanzte durch den Garten. »Es schneit«, rief sie. »Es schneit!« Und sie strahlte Carina an wie ein Kindergartenkind. Carina lachte.
    »Ach so«, sagte sie dann. »Hast du überhaupt schon mal Schnee gesehen?« Flora kam wieder ins Haus zurück und hockte sich auf einen der Heizkörper an der Wand. »Als kleines Mädchen war ich einmal zu Weihnachten hier bei meinen Großeltern – da hat’s geschneit. Aber sonst noch nicht.«
    Der erste Gast um kurz nach acht war ausgerechnet Yannik. Aber bevor Carina auch nur ein Wort sagen konnte, hatte er Flora schon mit einem langen Kuss bedacht und ihr ein großes Päckchen mit einer noch größeren neongrünen Schleife darum überreicht. Carina funkelte wütend, und Flora konnte nicht sagen, über wen von ihnen beiden sich ihre Freundin mehr ärgerte: über Yanniks Unverfrorenheit oder über Floras offensichtliche Freude, ihn zu sehen.
    »Ich schau mal nach dem Bohneneintopf«, sagte Carina schließlich und verschwand in der Küche. Yannik tat, als habe er nichts bemerkt, küsste Flora gleich noch einmal, was ihr fast schon zu viel wurde, und sah dann bewundernd die Dekoration an.
    »Cool«, lautete sein Urteil und dann ließ er sich breitbeinig auf das helle, große Sofa fallen, das vor der Terrassentür stand. Während Flora sein Geschenk auspackte – eine orientalisch anmutende türkis glitzernde Mischung aus Flaschen voller Duschgel, Bodylotion und Parfum – fiel sein Blick auf die DVDs, die auf dem Couchtisch lagen, und er lächelte ein wenig spöttisch.
    »Das sind ja alles Klein-Mädchen-Gruselfilme«, sagte er. Bevor Flora eine lässige Antwort einfiel, klingelte es erneut und sie war froh, an die Tür gehen zu können.
    Ungefähr acht Leute, alle aus dem Volleyballverein, drängten herein. Sie verteilten ihre Klamotten großzügig im Flur, gratulierten Flora knapp, stellten ein paar Flaschen Wodka und fränkischen Birnenschnaps aufs Buffet und machten sich über den Bohneneintopf her. Einer versuchte, die erste DVD einzulegen, und drückte wild auf der Fernbedienung herum. Plötzlich entdeckte Flora Stoffi, den pickligen Schwabbeltyp aus ihrer Klasse, neben dem CD-Player ihrer Eltern. Sie konnte sich nicht erinnern, ihn eingeladen zu haben, wollte aber auch nicht unhöflich sein. Stoffi grinste ihr feist zu, streckte den Daumen nach oben und schob eine mitgebrachte CD in den Player.
    Ohrenbetäubende Gitarrenriffs überschwemmten daraufhin das Wohnzimmer und Flora hielt sich panisch die Ohren zu. Sie schob Stoffi zur Seite und drehte die Musik leiser. Stoffi zog ein enttäuschtes Gesicht, aber Flora reagierte nicht drauf. Stoffi griff nach einer Schnapsflasche und setzte sie an. Nach einem großen Schluck tat er so, als torkele er nun durch den Raum, und dabei fiel sein Handy aus der Brusttasche seines öden blau-weiß karierten Hemdes mitten in Carinas Schoß, die neben ihm auf dem Boden hockte. Sie

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