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Rachekuss

Rachekuss

Titel: Rachekuss Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bettina Broemme
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Flora nickte. Sie war bereit, sich eine Standpauke anzuhören, aber der Polizist sah sie nur erwartungsvoll an.
    »Äh, ich weiß auch nicht, wie das passieren konnte«, stotterte Flora und sah zwischen den beiden Männern hin und her. Unter der Mütze des Kollegen quollen blonde, lockige Haare hervor und aus dem freundlichen Gesicht ragte eine riesige Nase. Flora hatte in Deutschland noch nie mit der Polizei zu tun gehabt. In Brasilien, das wusste sie, hätte sie jetzt zuallererst ein paar Scheine hervorziehen müssen, aber sie war sich sicher, dass das hier anders war.
    Nun drehte sich auch der Polizist mit der großen Nase zu ihr und erklärte, dass gleich ein paar Einsatzwagen eintreffen würden, die der Party ein Ende bereiten würden.
    »Ich hab nur so 20 Leute eingeladen und plötzlich kamen immer mehr und mehr und ich konnte überhaupt nichts machen«, stammelte sie weiter und sie merkte, wie schwer es ihr mit einem Mal fiel, deutsch zu reden.
    »Nur 20?«, fragte der Aknenarbige und kniff ein Auge zu. »Und wahrscheinlich haben Sie die Party über Facebook oder Twitter oder irgend so einen Unsinn bekannt gegeben, oder?« Flora sah ihn entsetzt an.
    »Stimmt, aber nur meinen engsten Freunden.«
    Der Großnasige lachte schallend, drehte sich dann zu ihr um und musterte sie abschätzig.
    »Freunde!«, spuckte er aus. »Ihr seid so was von naiv! Habt’s vielleicht auch noch reingeschrieben, dass es umsonst was zu trinken gibt?« Flora senkte beschämt den Kopf.
    Es dauerte eine Stunde, bis 25 Polizisten die Meute zerstreut hatten. Manche hatten sich zur Wehr gesetzt und wollten nicht gehen. Drei Leute wurden in einen der Einsatzwagen verfrachtet – sie würden die Nacht in einer Ausnüchterungszelle verbringen. Einer von ihnen war Yannik. Er hatte sich auf Xenia und Marie gestützt, seine Finger hingen knapp vor ihren Brüsten, was die beiden Mädchen keineswegs zu stören schien. Im Gegenteil, sie zogen ihre sowieso schon tief ausgeschnittenen Shirts noch tiefer, damit Yannik oder die Polizisten oder wer auch immer eine gute Aussicht hätten. Widerlich! Flora hatte das Geschehen auf dem Treppenabsatz sitzend verfolgt und das Adrenalin in ihren Adern sorgte dafür, dass sie nicht zusammenklappte. Als der Letzte endlich fort war, kam der Polizist mit der großen Nase noch einmal zu ihr, hielt ihr einen Wisch hin, den sie unterschreiben sollte, und meinte, wegen der Einsatzkosten würde sie eventuell noch etwas hören. Aber jetzt wünsche er erst einmal viel Spaß beim Aufräumen. Er meinte es nicht wirklich gehässig, redete sich Flora ein.
    Als die Tür hinter ihm zuschlug, zog es ihr den Boden unter den Füßen weg. Flora kauerte sich auf dem Teppich neben dem Esstisch zusammen, weinte und schluchzte und hatte das Gefühl, sie könne nie wieder damit aufhören. Wie hatte das nur passieren können? Sie war sich sicher, dass sie die Einladung bei Facebook nicht öffentlich eingestellt hatte, sondern nur gezielt Leute eingeladen hatte. Oder vielleicht doch nicht? Sie konnte sich nicht genau erinnern. Doch, sie war sich sicher. Und wenn sie sich täuschte? Sie wusste nicht mehr, was sie glauben sollte, traute ihren eigenen Erinnerungen nicht. Wie konnte sie nur so blöd sein! Plötzlich kam ihr ein Gedanke: Was war, wenn einer von ihren angeblichen Freunden alle Weiteren eingeladen hatte? Aber wieso hätte das jemand tun sollen? Aus Unwissenheit? Wollte er einen Scherz machen? Oder sie gar quälen? War es derselbe, der ihr die Innereien unter die Bank gelegt hatte? Aber was für einen Grund gab es, sie so fertigzumachen? Weil sie die Fremde war, weil sie dunkle Haut hatte und nicht dazugehörte. Oder hatte sie sich vielleicht auf vermintes Gelände begeben, ohne etwas davon zu ahnen? Vielleicht doch Yannik, den sie nach wie vor nicht wirklich an sich heranließ? Oder gab es jemanden, der sie von Yannik wegbringen wollte? Marie oder Xenia vielleicht? Die himmelten ihn immer dermaßen an, versuchten, einen Platz in seiner Nähe zu ergattern und ihn in ein Gespräch zu verwickeln, dass es nicht mehr feierlich war. Den ganzen Abend waren sie ihm nachgelaufen.
    Ich will zurück nach Brasilien, dachte Flora. Ich werde meinen Eltern sagen, dass ich zurückgehe. Und wenn ich neben der Schule arbeiten muss, um Geld zu verdienen. Ich bleibe nicht länger in diesem beschissenen, kalten Land. Ich halte das nicht mehr aus…
    Als in der Küche Gläser klirrten, zuckte Flora zusammen und eine Faust fuhr ihr in den Magen. Hatte

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