Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Rachekuss

Rachekuss

Titel: Rachekuss Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bettina Broemme
Vom Netzwerk:
die Polizei einen Besoffenen übersehen? Waren welche zurückgekehrt? Flora rappelte sich hoch, putzte mit einer Serviette, die irgendwo herumlag, ihre Nase und näherte sich vorsichtig der geschlossenen Küchentür. Vielleicht, dachte sie und ihre Stimmung hellte sich um ein Quäntchen auf, vielleicht war es Carina, die angefangen hatte aufzuräumen. Und dann sah sie wieder ihre Freundin vor sich, nackt, mit ekstatisch verzerrtem Gesicht und…
    »Hi, nicht erschrecken«, sagte eine Mädchenstimme im breitesten Fränkisch, als die Küchentür von innen geöffnet wurde. »Wo soll ich denn Altglas hintun?« Flora lehnte sich einen Moment an die Wand und atmete ganz tief ein.
    »Leonie«, stammelte sie dann. »Mann, hast du mich erschreckt. Ich hab gar nicht mitbekommen, dass du noch da bist.« Leonie tätschelte ihre Schulter und hätte sie sicher auch umarmt, wenn Flora nicht zurückgewichen wäre. Irgendwie irritierte sie dieses etwas plump wirkende, sehr blasse Mädchen mit der ausgewachsenen Dauerwelle im feinen, hennarot gefärbten Haar und den schiefen Zähnen.
    »Warum hast du denn nichts gesagt?«, fragte Flora.
    »Ich dachte, du brauchst erst mal ein paar Minuten für dich. Zum Luftholen. Ich hab einfach schon mal mit der Küche angefangen.« Sie deutete mit dem Daumen hinter sich und zu ihrer Verwunderung sah Flora, dass dies der einzige Raum im Erdgeschoss zu sein schien, der intakt wirkte. Die Spülmaschine gab ein beruhigendes Brummen von sich, in einer Mülltüte lagen Unmengen Abfallreste, drei Kartons waren mit leeren Flaschen gefüllt. Den Herdblock und die Spüle hatte Leonie sauber gemacht, den Tisch abgewischt und eine erste Ladung Geschirr bereits in die Schränke geräumt.
    »So spät ist es ja noch gar nicht, erst kurz vor halb zwei. Wenn du willst, machen wir mit dem Wohnzimmer weiter«, sagte Leonie und trocknete sich die Finger an einem Handtuch ab.
    Erst jetzt getraute sich Flora, das Desaster richtig anzuschauen. Ein Sessel war auf den Kopf gedreht, ein anderer stand draußen auf der Terrasse im Schnee. Das helle Sofa war mit dreckigen Fußspuren überzogen, überall lagen CDs herum, mit und ohne Hülle. Die Bar präsentierte ihren Inhalt – lauter leere Flaschen, bis auf einen letzten Rest giftig grünen Pfefferminzlikörs, der wohl keine Anhänger gefunden hatte. Die lackglänzende Platte des Esstischs hatte diverse Kratzer und Schrammen, ebenso wie der Parkettboden.
    Flora ließ sich auf einen Stuhl fallen. »Was sag ich nur meinen Eltern? Scheiße, so hab ich mir 18-Sein nicht vorgestellt.«
    Leonie wuchtete den durchweichten Sessel von der Terrasse nach drinnen. »Bis morgen bekommen wir noch so einiges geschafft. Wo ist eigentlich deine Freundin Carina? Wenn man sie mal braucht, ist sie nicht da, oder wie?«
    Flora musterte Leonie irritiert. Stimmt, wo war eigentlich Carina? Die lag doch nicht immer noch… mit ein paar Sätzen war Flora an der Treppe und ging nach oben.
    »Ich muss mal aufs Klo«, rief sie Leonie zu.
    Zögerlich öffnete sie die Tür zu ihrem Zimmer. Es war dunkel. Der Schnee, der sich auf der Dachschräge gesammelt hatte, tauchte das rosa Zimmer in einen bläulichen Schein. Flora machte das Licht an und stellte zu ihrer Erleichterung fest, dass niemand mehr hier war. Nur ihr Bett war zerwühlt und davor lag ein Haufen benutzter Taschentücher. Mit spitzen Fingern entsorgte sie das Zeug in die Toilette. Glücklicherweise hatte die Horde ihr Badezimmer nicht entdeckt. Am liebsten wäre Flora hier oben geblieben, aber sie konnte Leonie ja schlecht alleine aufräumen lassen. Immerhin fand sie auf dem Schreibtisch ihr Handy, das sie eigentlich in der Küche vermutet hatte, und versuchte, Carina zu erreichen. Doch es sprang nur die Mailbox an. Flora wurde klar, dass sie sowieso nicht gewusst hätte, was sie hätte sagen sollen, und so ging sie zurück nach unten.
    Leonie wischte mit einem feuchten Lappen am weißen Sofa herum.
    »Das ist fies«, sagte sie. »Habt ihr nicht so ein Spray, womit man Textilzeug einsprühen kann?« Flora zuckte ratlos die Schultern. Einerseits war sie dankbar, dass sie nicht alleine hier aufräumen musste, andererseits sehnte sie sich nach Stille und Einsamkeit. Zu viele Gedanken jagten durch ihr Hirn, als dass sie sich aufrichtig über Leonies Hilfe hätte freuen können. Außerdem machte irgendetwas an der Art des Mädchens sie unruhig. Bestimmt nicht ihr Satan-Outfit, das wirkte eher wie eine ulkige Halloween-Kostümierung. Flora konnte

Weitere Kostenlose Bücher