Rachewahn: Thriller
sich nicht aneignen kann. Entweder man hat sie oder man hat sie nicht. Das könnte später noch nützlich werden.“
„Ach, ja? Inwiefern?“
„Vielleicht brauche ich einen Mittelsmann. Schließlich kann ich noch nicht wissen, zu welchen Maßnahmen die Bullen greifen werden. Sie müssen unter Umständen einspringen, wenn es um die späteren Verhandlungen geht und ich mich um wichtigere Dinge kümmern muss.“
„Das werde ich ganz bestimmt nicht machen. Ich werde nicht auch noch zu Ihrem ‚Komplizen’.“
„Wir werden sehen. Allerdings bin ich etwas irritiert. Normalerweise sind Busfahrer immer recht verschlossen und bockig. Das ist zumindest meine Erfahrung. Sie hingegen scheinen das Gegenteil zu sein, obwohl es anfangs nicht so wirkte.“
„Haben Sie ein Problem damit?“
„Überhaupt nicht. Ich frage mich nur, welcher Typ Mensch Sie sind. Sie wirken gepflegt, können sich gewählt ausdrücken und behalten einigermaßen die Nerven. Deshalb vermute ich, dass Sie nicht immer Busfahrer waren. Habe ich recht?“
„Sie haben recht.“
„Was waren Sie vorher? Und warum sind Sie nun hier? Erzählen Sie mir etwas über sich.“
„Sie wollen allen Ernstes meine Lebensgeschichte hören? Jetzt? In dieser Situation? Während draußen die Kavallerie anrückt?“
„Warum nicht? Welchen schöneren Ort kann es denn geben? Ich fühle mich hier pudelwohl.“
„Sie sind doch nicht normal.“
„Diese Beurteilung sollten Sie anderen Menschen überlassen. Jetzt schießen Sie schon los. Wer sind Sie? Was machen Sie so?“
„Ich wurde in Kassel geboren, habe hier in Göttingen Philosophie studiert und anschließend keinen Job gefunden. Da ich aber die Stadt sehr mag, wollte ich hier bleiben. Das ist alles.“
„Ja, der Arbeitsmarkt war und ist ein schlechter Witz. Was glauben Sie, warum ich das hier mache?“ Sie zwinkerte ihm zu.
„Es geht also um Geld?“
„Wie man es nimmt.“
„Was soll das heißen?“
„Es geht eher um Rache.“
„Rache? An wem wollen Sie sich rächen? An einer bestimmten Person hier im Bus? Warum ziehen Sie dann alle anderen mit in diesen Unfug hinein?“
„Das würden Sie nicht verstehen. Außerdem ist das momentan nicht von Belang. Ich will etwas von Ihnen wissen. Sie sind zum zweiten Mal verheiratet. Warum ging die erste Ehe in die Brüche?“
„Wer hat das denn behauptet? Meine erste Frau starb vor zehn Jahren an einer seltenen Krankheit in Afrika. Wir waren dort im Urlaub.“
„Das tut mir leid.“
„Stecken Sie sich Ihr Mitleid sonst wohin.“
„Haben Sie Kinder?“
„Einen Sohn aus erster Ehe. Er ist zwanzig. Studiert in Münster.“
„Warum nicht hier?“
„Seine Freundin wohnt in Münster. Die beiden haben bereits eine Tochter.“
„War das eine dieser Jugendschwangerschaften?“
„Ja.“
„Haben Sie Ihren Sohn nicht richtig aufgeklärt?“
„Als alleinerziehender Vater ist das nicht ganz einfach. Ich schätze, dass ich in einigen Punkten versagt habe.“
„Möglich. Aber es gibt auch noch die Schule. Doch der Aufklärungsunterricht ist wahrscheinlich nur ein Randthema. Ist ja auch nicht so wichtig.“ Anna schüttelte den Kopf. „Ich wäre zum Beispiel auch dafür, dass man schon in der Schule lernt, mit Finanzen richtig umzugehen. Bloße Zahlen auf dem Papier verlocken einfach zur Verschwendung. Aber die Gebildeten und Verantwortlichen raffen so etwas nicht. Wie könnten sie auch? Schließlich betrifft es sie nicht selbst. Das ist das Problem. Verdammte Sesselfurzer. Ich frage mich schon lange, wie die überhaupt noch ruhig schlafen können.“
Volker rieb seine Fingerspitzen aneinander. „Sie haben Ihren Job verloren, oder? Sie haben kein Geld und wollen nun die große Kohle erpressen. Ich lag eben schon richtig damit. Das entnehme ich Ihrer Verachtung.“
„Es ist nicht alles so, wie es scheint. Manche Dinge sind wichtiger als Geld. Liebe. Glück. Zufriedenheit.“
„Aber Kohle beruhigt. Und wenn man beruhigt ist, wird man automatisch glücklicher und zufriedener.“
„Könnte stimmen. Das müssen wir jedoch später weiterbesprechen. Ich sehe nämlich gerade, dass es halb drei ist. Zeit, einen weiteren Anruf zu tätigen. Die Bullen warten bestimmt schon darauf. Denn erst wenn Sie meine kompletten Forderungen kennen, können sie sich richtig auf diese Situation einstellen. Ein SEK wird verständigt. Scharfschützen werden eingewiesen. Vermittler werden informiert.“ Anna steckte die Waffe weg und holte ihr Handy hervor. „Mann,
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