Rachewahn: Thriller
zusammen. Wir standen draußen auf dem Rasen. Dort stehen mehrere Tische, damit die Leute ihre Getränke und Snacks ablegen können. An dem ersten Tisch hielten wir uns auf, als wir Mark zuletzt gesehen haben. Wir unterhielten uns mit verschiedenen Gästen. Dann sind wir auf die Terrasse gegangen, wo uns weitere Leute angesprochen haben. Das war im Grunde alles.“
„Wie sind Sie dann auf die Leichen aufmerksam geworden?“
„Jemand schrie im Haus. Ich weiß schon gar nicht mehr, ob es ein Mann oder eine Frau war. Es wird entweder dieser Matthias oder dessen Freundin Valerie gewesen sein. Also sind wir hergekommen, um zu sehen, was geschehen war. Dabei fanden wir … die Leichen.“ Die letzten beiden Wörter brachte Albert nur mit viel Überwindung über die Lippen.
„Wie genau sah Ihr Weg vom Garten hierher aus?“
„Wir sind durch das Wohnzimmer gekommen. Dann mussten wir den Flur durchqueren. Anschließend sind wir hier angekommen.“
„Ist Ihnen auf diesem Weg jemand begegnet?“
„Klar. Aber ich habe nicht auf die Leute geachtet.“
„Sie haben nicht bemerkt, ob jemand besonders fahrig wirkte?“
„Nein. Du, Schatz?“ Er sah seine Frau an, doch Veronika war noch immer ein nervliches Wrack. Sie schluchzte auf und rieb sich immer wieder die Augen.
„Es wäre wohl doch besser, wenn sich Ihre Frau etwas hinlegen würde. Sie schafft das nicht länger“, erkannte Nora.
Albert stimmte ihr zu. „Unser Schlafzimmer liegt drüben, direkt hinter dem Badezimm…“
Die Ermittler wussten, dass Albert sofort seinen ermordeten Sohn vor Augen sah, als er dieses letzte Wort abbrach. Daher senkte er seinen Blick und räusperte sich. „Entschuldigen Sie, aber auch ich bin an meine Grenzen gestoßen. Ich kann nicht mehr.“
„Entschuldigungen sind unnötig“, erklärte Tommy. „Wir haben bereits die wichtigsten Informationen von Ihnen bekommen. Vielen Dank dafür. Sie sollten sich jetzt beide ein wenig in Ihrem Schlafzimmer ausruhen. Fernab von den Gästen. Unser Kollege wird Sie begleiten. Wenn Sie irgendetwas brauchen oder Ihnen noch etwas Wichtiges einfallen sollte, dann sagen Sie ihm einfach Bescheid.“ Tommy gab einem Beamten an der Tür ein Zeichen, woraufhin dieser an die Hortmanns herantrat. Anschließend schritt er mit ihnen aus dem Zimmer, wobei Veronika vor Schwäche fast eingeknickt wäre. Im letzten Moment konnte Albert sie noch stützen.
Nora sah den beiden niedergeschlagen hinterher. „Ich kann mir nichts Schlimmeres vorstellen, als die Nachricht zu erhalten, dass das eigene Kind ermordet wurde. Dazu muss ich selbst keine Kinder haben. Jeder Mensch, der in der Lage ist, sich in einen anderen hineinzuversetzen, kann diese Trauer spüren.“
„Mir geht es ähnlich“, murmelte Thomas. „Zwar waren Mark und seine Braut schon erwachsen, aber für ihre Eltern werden sie immer Kinder bleiben. Das kenne ich von meiner eigenen Mutter. Immer wenn ich sie in Oldenburg besuche, behandelt sie mich wie ihren kleinen Jungen.“ Er sah an die Decke. „Und weißt du was? Das ist ein unbezahlbares Geschenk. Wenn es anders wäre, würde mir viel fehlen. Deshalb schwöre ich dir, dass ich nicht ruhen werde, bis wir den Mörder oder die Mörderin gefasst haben. Wir werden den Eltern wenigstens die Gewissheit geben, dass der Verantwortliche für diese Taten in den Knast wandert. Das ist unser Job. Das ist unsere Aufgabe.“
Nora sah ihn kampfeslustig an. „Worauf warten wir dann noch?“
23
Samstag, 8. Juni 2013
Anna hatte wieder ihr Handy aus der Hosentasche gezogen und die Nummer eingetippt, unter der sie Nora erreichen konnte. Nun hielt sie sich das Mobiltelefon ans Ohr und wartete. „Ich will hoffen, dass die Bullen rangehen“, sagte sie mit einem Grinsen zu Volker.
Der Busfahrer reagierte nicht auf sie. Er trocknete seine schweißnassen Hände an der Jeans und sah auf die Absperrung. Mittlerweile war die Polizei dabei, eine zweite Absperrlinie zu errichten, sodass die Beamten einen eigenen Bereich für sich hatten. Alle Schaulustigen wurden um weitere zehn Meter nach hinten verbannt. Sie befanden sich damit nur noch wenige Meter von einer Neunzig-Grad-Kurve entfernt, die nach Osten führte. Daher verschärfte sich das Gedränge um den ‚besten Sichtplatz’ gewaltig. Zwar gaben die Polizisten sich alle Mühe, den Auflauf zu kontrollieren, doch eine große Menschenmenge zog immer noch mehr Neugierige an und entwickelte somit eine unberechenbare Eigendynamik.
Nora und Thomas beschäftigten
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