Rachewahn: Thriller
Behandlungsliege und verzog schmerzverzerrt das Gesicht. Noch immer war er mit Handschellen gefesselt. Etwas weiter abseits stand eine Krankenschwester vor den Lichtkästen für die Röntgenaufnahmen. Sie hielt eine Spritze in der Hand und war starr vor Schock. Sonst war niemand im Raum zu sehen. Nora und Thomas konnten nichts Ungewöhnliches an dieser Situation erkennen.
„Können Sie sich ausweisen?“, wollte Tommy von dem Arzt wissen.
„Wie bitte? Das ist ein schlechter Scherz, oder? Verlassen Sie diesen Raum und schließen Sie die Tür! Ich bin mitten in einer wichtigen Behandlung. Das können Sie doch wohl selbst sehen!“
Nora sah auf das Schild, das sich am Kittel des Mannes befand. Es bezeichnete ihn als Dr. Gruber. Das kleine Foto passte zu ihm.
„Überprüft sofort, ob hier ein Dr. Gruber angestellt ist!“, rief sie ihren Kollegen auf dem Flur zu. Diese liefen daraufhin zur Informationszentrale am Eingang, um diesem Befehl unverzüglich Folge zu leisten.
„Was soll das alles?!“, regte der Arzt sich auf. „Dieser Mann hat eine ernsthafte Schussverletzung im Oberschenkel erlitten. Der Knochen wurde von der Kugel zersplittert. Wahrscheinlich muss ich ihn operieren. Jede Verzögerung könnte schlimme Folgen haben. Also verschwinden Sie endlich!“
Nora blickte zu den Röntgenbildern. Zwar kannte sie sich mit diesen nicht besonders gut aus, aber selbst sie als Laie konnte die Splitterung an der Seite des Oberschenkelknochens erkennen. Daher trat sie nah an Tommy heran und flüsterte ihm zu: „Hier stimmt etwas nicht. Wenn jemand Frost auf diese Weise retten wollte, dann hätte er doch niemals riskiert, den Knochen zu treffen. Eine Fleischwunde zu verursachen wäre schon seltsam gewesen. Aber das hier grenzt an Irrsinn.“
„Ja, aber du vergisst die Entfernung. Falls der Schuss wirklich von dem Hochhaus abgefeuert wurde, dann lagen fast zweihundert Meter dazwischen. Auf diese Distanz ist ein gezielter Schuss höchstens für einen Experten machbar. Sicherlich wollte derjenige nur eine Fleischwunde erzielen, traf aber auch den Knochen.“
Nora war davon nur wenig überzeugt. Sie steckte ihre Pistole zurück ins Holster und sah den Arzt an. „Haben Sie in den letzten Minuten etwas Merkwürdiges festgestellt?“
„Das kann man wohl sagen.“
„Und zwar?“
„Mitten in meiner Behandlung stürmten auf einmal ein paar Irre herein und fuchtelten mit ihren Waffen herum. Oh, warten Sie. Die sind immer noch hier im Raum!“
Nora seufzte. „Ich meine vor unserem Eintreffen. Wurden Sie von jemandem bedroht? Haben Sie hier eine Person gesehen, die sehr nervös wirkte?“
„Wir sind hier in einem Krankenhaus! Hier wirken viele Menschen sehr nervös! Das bringt die Sache so mit sich. Alles andere müssen wir später klären, weil ich den Mann jetzt wirklich weiter behandeln muss. Wenn Sie mich davon abhalten, dann übernehmen Sie die Konsequenzen!“
Noras und Tommys Kollegen kamen von der Informationszentrale zurück und verkündeten: „Doktor Gruber arbeitet hier schon seit zehn Jahren. Die Frau an der Zentrale hat uns ein Foto gezeigt. Es handelt sich definitiv um diesen Mann.“ Einer der Männer deutete auf den Arzt.
„Gott sei Dank.“ Nora atmete durch. „Entschuldigen Sie vielmals die Störung, Doktor Gruber. Aber wir haben den begründeten Verdacht, dass Ihr Patient aus diesem Krankenhaus befreit werden soll.“
„Befreit?“, stieß Frost aus. „Sie haben tatsächlich ein paar Drogen konsumiert, was? Ich wurde angeballert, zum Teufel!“
Als die Melodie von Beverly Hills Cop erklang, nahm Tommy sein Handy in die Hand, trat hinaus auf den Flur und blickte aufs Display.
„Hier sind Handys verboten!“, maßregelte Doktor Gruber ihn. „Als Polizeibeamter dürften Sie das wissen.“
Thomas ignorierte diesen Hinweis und nahm den Anruf entgegen. „Ja? Was gibt es, Dorm?“
„Wir wurden verarscht. Und zwar komplett.“
48
Ein Tag zuvor
„Professor Horn hat seine Arbeit inzwischen erledigt. Aber er konnte bei den Obduktionen der Leichen nichts feststellen, das uns irgendwie von Nutzen sein könnte“, teilte Nora ihrem Kollegen mit, als sie am späten Nachmittag in ihrem Büro saß. Tommy hockte vor dem großen Schreibtisch und stierte auf die Wand hinter Nora. „Soll das heißen, dass keine ungewöhnlichen Merkmale vorliegen?“
„Genau. Beide Opfer starben an den Stichwunden, die zweifelsfrei mit dem Messer ausgeführt wurden, das wir im Elternschlafzimmer gefunden haben.
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