Rachewahn: Thriller
suchen sich die Leute eine andere. Häufig ist diese zweite Sucht dann sogar schlimmer als die erste.“
„Ich habe das Trinken unter Kontrolle.“
„Das weiß ich. Sonst wäre ich schon längst eingeschritten.“
„Ach, ja? In welcher Weise?“
„Das werden wir hoffentlich nie herausfinden müssen. Aber ich werde ganz bestimmt nicht mit ansehen, wie mein bester Freund und Kollege dem Alkohol verfällt. Ich habe bereits zwei wichtige Männer in meinem Leben verloren. Einen dritten lasse ich nicht zu. Daher habe ich ein Auge auf dich. Ob es dir passt oder nicht.“
Tommy räusperte sich. „Du hast schon länger nicht mehr mit mir über Timo gesprochen.“
„Wieso auch? Ich denke jeden Tag an ihn. Ich bete für ihn. Über ihn zu sprechen würde nichts mehr ändern. Er ist tot. Das muss ich akzeptieren. So schwer es mir auch fällt.“
„Aber du weißt noch immer nicht, was damals genau vorgefallen ist, oder?“
„Nein. Vielleicht ist Max sein Mörder, vielleicht aber auch nicht. Ich weiß, dass die Ungewissheit mich zerstören würde, wenn ich es zuließe. Deshalb habe ich mit diesem Kapitel abgeschlossen. Es ist besser so. Für meinen Seelenfrieden.“ Sie dachte nach. „Ich bin in dieser Hinsicht nur froh, dass ich nicht als Max’ Mörderin verurteilt wurde. Die Obduktion hat damals zum Glück bewiesen, dass er betrunken war. Zudem konnte ich nachweisen, dass er mich zuvor regelmäßig belästigt hatte. Ich habe ihn in Notwehr erschossen. Das ist ein Fakt.“
„Das habe ich dir damals gleich gesagt. Aber die Tatsache, dass du jetzt noch einmal darauf eingehst, signalisiert mir, dass du eigentlich noch nicht darüber hinweg bist.“
„Das habe ich auch nicht behauptet. Ich habe nur gesagt, dass ich mit dem Kapitel abgeschlossen habe. Das soll heißen, dass ich es verdränge. Ich habe es noch nicht zu Ende gelesen. Ich habe es abgebrochen und beiseite gelegt. Und ich hoffe, dass ich es nie mehr lesen muss.“
„Hältst du das für eine gesunde Einstellung?“
Sie trank wieder einen Schluck Wasser. „Das kommt darauf an.“
„Worauf?“
„Auf den Zeitpunkt. Momentan geht es mir auf diese Weise bestens. Aber womöglich werde ich in ein paar Wochen oder Monaten anders darüber denken. Doch bis dahin hat es keinen Sinn, über etwas zu grübeln, das ich nicht ändern kann. Ich konzentriere mich auf die Arbeit und versuche mich bestmöglich abzulenken. Ich gehe viel öfter ins Kino als früher. Ich lese auch wieder mehr. Zudem schaue ich häufiger fern. Diese kleinen Dinge im Leben helfen mir ungemein.“
„Wenn du möchtest, dann können wir gerne einen festen, gemeinsamen Abend planen. Wir treffen uns zwar auch so hin und wieder nach der Arbeit, aber wie wäre es zum Beispiel mit einem Spieleabend?“
„Würdest du dann deine jeweilige ‚Freundin’ mitbringen?“
Tommy grinste. „Nur wenn du willst.“
„Nein, danke. Ich bin schon überrascht, dass du heute Abend keine Dame hier hast. Oder versteckst du eine im Schrank? Unterm Bett?“
„Für wen hältst du mich? Ich bin auch nicht mehr der Jüngste. Die Konkurrenz wächst ständig nach.“
„Du hast es nicht leicht.“
„Allerdings nicht. Aber ich bin noch zufrieden.“
„Denkst du immer noch nicht daran, dich fest zu binden?“
„Du kennst mich doch besser als jeder andere Mensch. Ich bin nicht der Typ für so etwas.“
„Du müsstest es vielleicht nur einmal ernsthaft probieren.“
„Ich weiß nicht.“
„Ein Versuch kann nicht schaden, Tommy.“
„Vermutlich hast du recht. Aber wer kann schon wissen, was die Zukunft bringt? Vielleicht sterbe ich morgen im Einsatz, weil ein Bankräuber mich über den Haufen schießt. Dann war’s das sowieso.“
„So einen Mist will ich nicht hören, okay? Nicht einmal im Scherz.“
„Okay, tut mir leid. Das war ein dummer Satz. Vergiss ihn.“ Er schlang sein Bier herunter. „Nein, aber im Ernst: Eine feste Beziehung verlangt pausenlose Pflege. Ich kann das nicht bieten. Ich bin zu egoistisch.“
„Das stimmt nicht. Du nutzt das nur als Ausrede, weil du Angst hast.“
„Ach? Und wovor hätte ich bitte schön Angst?“
„Vor Verletzungen. Es gibt nichts, das mehr schmerzt, als die Zurückweisung eines geliebten Menschen. Ich kann dich verstehen. Vermutlich gibt es kaum jemanden, der dich besser verstehen kann als ich. Immerhin weiß ich, wie schmerzvoll und enttäuschend eine Beziehung zu einem anderen Menschen sein kann. Das hat Max mir bewiesen. Aber ich bin davon
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