Rachewahn: Thriller
können.“
„Wir haben den Fluchtweg des Täters bereits rekonstruiert“, teilte ihm einer der beiden Kollegen mit. „Vermutlich ging der Dieb die Treppe hinunter, nahm den Hinterausgang, kletterte über den Zaun im Hof und gelangte somit auf die Parallelstraße. Dort hatte er zuvor sicherlich ein Auto geparkt. Wenn er die Beute in zwei großen Taschen mit sich genommen hat, wird der Weg weniger als eine Minute gedauert haben.“
„Und der Raub wird kaum länger als fünf Minuten in Anspruch genommen haben“, mutmaßte Tommy. „Runtersteigen, alles einsammeln, in Taschen packen und wieder raufklettern. Und zwar damit.“ Sein Blick fiel auf ein dickes weißes Seil, das an der Heizung befestigt und fünf Meter lang war. „Die Räuber wussten, dass sie nicht in das Geschäft eindringen konnten, ohne den Alarm auszulösen. Also haben sie dafür gesorgt, dass der Alarm aufgrund der Geiselnahme ausgelöst und nicht mit einem Raub in Verbindung gebracht wird.“ Er knirschte mit den Zähnen. „Befragt alle Leute in den Geschäften auf der Parallelstraße. Vielleicht erinnert sich jemand an eine Person mit zwei oder mehr Taschen. Oder an ein Auto, das dort lange Zeit geparkt stand. Irgendein Detail muss jemandem aufgefallen sein.“
Die Beamten nickten und machten sich sofort an die Arbeit.
Nora sah Tommy unwohl an. Sie erkannte, dass er auf hundertachtzig war. Er hasste es, wenn er sich verschaukelt fühlte und nichts unternehmen konnte, um diesen Umstand rasch zu ändern.
„Wie konnten wir uns nur so zum Narren halten lassen?“, fauchte er. „Wir hätten das Ganze durchschauen müssen!“
„Das lässt sich im Nachhinein leicht sagen. Aber du weißt genauso gut wie ich, dass wir uns auf Anna und Frost konzentrieren mussten. Uns blieb gar nichts anderes übrig.“
„Wo ist diese Anna jetzt überhaupt? Die Techniker müssen das Signal der Videokamera orten, die sich an dem Sprengstoffgürtel befindet. Vielleicht können sie auch die Frequenz der letzten Funksprüche aufspüren.“
„Zwei Kollegen bringen sie in die Direktion. Dort werden sich die Experten sofort darum kümmern. Anschließend können wir sie befragen und uns mit der Entführung ihres Freundes beschäftigen.“
„Und Frost wird streng bewacht?“
„Ja, vier Kollegen sind im Krankenhaus geblieben.“
„Hoffen wir, dass das reicht.“ Tommy presste seine Kiefer aufeinander. „Ich kann dir gar nicht sagen, wie mies ich mich gerade fühle. So dämlich kam ich mir noch nie vor. Noch nie in meinem gesamten Leben!“
52
Ein Tag zuvor
„Dorm und Vielbusch werden gleich mit der Gästeliste bei den Hortmanns fertig sein“, sagte Kortmann. „Damit haben wir die Adressen sowie Telefonnummern aller Gäste, die derzeit noch anwesend sind. Bisher konnte aber niemand etwas Hilfreiches zu unseren Ermittlungen beisteuern. Angeblich hat keiner etwas von den Morden gesehen oder gehört. Bis auf diejenigen Personen, die sich bereits bei Ihnen persönlich gemeldet haben.“
Nora und Thomas saßen vor Kortmanns Schreibtisch und nickten. Tommy fügte dieser Gestik hinzu: „Professor Horn konnte ebenfalls nichts feststellen, das uns weiterbringt. Es deutet also alles auf diesen Gerhardt Frost hin. Die Drogengeschichte, die Haare, die zeitliche Möglichkeit der Verbrechen. Vielleicht erscheint das Ganze aber ein wenig zu klar. Bei so vielen Gästen deutet alles auf eine konkrete Person hin? Das riecht doch fast nach einer falschen Fährte.“
„Solche Vermutungen bin ich eigentlich nur von Frau Feldt gewohnt“, äußerte Kortmann. „Dass Sie jetzt auch noch mit so etwas anfangen, gefällt mir ganz und gar nicht. Warum können Sie die eindeutigen Spuren nicht einfach akzeptieren?“
„Weil ich keinen Unschuldigen ins Gefängnis stecken möchte. So einfach ist das.“
„Sie können aber nicht beweisen, dass Frost unschuldig ist.“
„Nein, aber nur aufgrund der Haare ist er auch noch lange nicht schuldig.“
„Schön. Nehmen wir einmal an, dass der Mann tatsächlich nicht der Mörder ist. Wer kommt dann für die Taten in Frage? Haben Sie eine Spur, die auf eine andere Person hindeutet?“
„Nein, die haben wir nicht.“
„Dennoch spinnen Sie herum. Das begreife ich nicht. Befragen Sie Frost noch einmal. Setzen Sie ihn unter Druck. Dann wird er schon bald gestehen.“
„Das glaube ich nicht“, sagte Nora. „Sicherlich kam es in der Vergangenheit schon häufig vor, dass jemand ein kleines Verbrechen zugegeben hat, um ein großes zu
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