Rachlust - Dicte Svendsen ermittelt
keinen zusammenhängenden Satz aus ihr herausbekommen. Sie trauerte vor allem um den Hund, daran kann ich mich noch erinnern. Fast hysterisch.«
»Blieb Boutrup die ganze Zeit unverändert bei seiner Aussage? Dass zwei Männer bei ihm eingedrungen sind und seinen Hund erschossen haben, woraufhin er den einen der Männer erschossen hat und der zweite fliehen konnte?«
»Ja, ganz genau so.«
»Und was war mit dem Mädchen? Wo war sie während des Schusswechsels?«
Wagner hörte ein Rascheln, dann klang es so, als würde sich sein Gesprächspartner etwas in den Mund stecken.
»Im Schlafzimmer, wurde uns gesagt«, schmatzte er. »Verzeihen Sie, Nikotinkaugummi. Ich gewöhne mir gerade das Rauchen ab.«
Wagner drehte diskret die Augen zur Decke. Offenbar hatte jede Abteilung ihren Nikotinsüchtigen.
»Im Schlafzimmer? Waren die beiden ein Liebespaar, was meinen Sie? Darüber steht im Bericht nichts.«
»Das kann ich mir auch nur schwer vorstellen. Das waren Freunde, war eher mein Eindruck. Er hatte etwas sehr Beschützendes ihr gegenüber, der Arzt hat ihr kurz darauf ein Beruhigungsmittel gespritzt.«
»Und die Tatwaffe war Boutrups Jagdgewehr? Wo wurde das gefunden?«
»Das hat er uns ausgehändigt. Wir haben es der Ballistik übergegeben, und damit war alles erledigt. Es war eindeutig die Schusswaffe. Es war kurz zuvor damit geschossen worden, Boutrups Fingerabdrücke waren überall, und die Patronen entsprachen der Munition, mit der Hans Martin Krøll getötet worden war.«
»Aber es gab keine Schmauchspuren an Boutrups Körper, geht aus den Unterlagen hervor? Gibt es eine Erklärung dafür?«
»Soweit ich das verstanden habe, hatte es mit der Waffe an sich zu tun, die einfach kaum Schmauchspuren erzeugt.«
»Die Sache war also Ihrer Meinung nach klar? Kein Zweifel bezüglich Täter, Tatwaffe oder Motiv?«
»Null. Überhaupt kein Zweifel. Er nahm seine Strafe klaglos an, und auch bei der Verhandlung gab es keine Kursänderungen. Alles lief schnurgerade!«
»Ja, das ist genau, was ich meine«, sagte Wagner leise, wie zu sich selbst.
»Wie bitte?«
»Ist das nicht ungewöhnlich?«
Er konnte fast hören, wie sein Kollege am anderen Ende der Leitung mit den Schultern zuckte, während er energisch weiterkaute. Ganz offensichtlich war es ihm ziemlich egal, aus welchen Gründen ein Täter sich für ein sofortiges Geständnis entschied.
Wagner bedankte sich und legte auf. Dann blätterte er die Akte erneut durch. Die beiden Einbrecher, Hans Martin Krøll und Poul Dahl, kannten ganz offensichtlich Peter Boutrup aus Jugendjahren, in denen dieser ein ziemlicher Radaubruder gewesen war und die Nähe zu anderen Jugendlichen gesucht hatte, die immer wieder mit dem Gesetz in Konflikt gerieten. Boutrup hatte sich zwar nicht explizit dazu geäußert, aber zwischen den Zeilen stand, dass die drei augenscheinlich noch eine Rechnung offen hatten. Zumindest waren wohl Krøll und Dahl dieser Meinung gewesen.
Er entschied sich dafür, dass sie als Nächstes überprüfen sollten, wo sich Dahl in der Zwischenzeit aufgehalten hatte.
Ein weiteres Mal blätterte er die Akte durch, irgendetwas stimmte da nicht. Das Ganze war viel zu einfach und glatt.
Er hatte diverse Anrufe getätigt und, so gut es ging, ein Profil von Boutrup zusammengestellt. Aber das Bild, das entstand, war sehr verwirrend. Auf dem Papier war er ein Mann mit ansehnlichem Strafregister. Ein paar kleinere Vergehen wie geringfügiger Diebstahl in der Jugend – da musste er unwillkürlich an Alexander denken –, Handgemenge und Mitwirken bei einem einfachen Autodiebstahl; danach folgten einige Jahre als Musterbürger, in denen er eine Ausbildung zum Zimmerer absolvierte, ein Haus kaufte und es renovierte und nach außen ein vollkommen normales Leben führte, mit Hund und Freunden und auch Freundinnen, die kamen und gingen. Diese guten Jahre waren durch den Mord an Krøll abrupt beendet worden, es folgten vier Jahre im Staatsgefängnis in Horsens. In dieser Zeit hatte er an den Folgen einer Nierenerkrankung gelittenund erst nach vielen Wochen im Krankenhaus und intensiver Dialysebehandlung die Niere eines Hirntoten transplantiert bekommen.
Er betrachtete die Fotos aus dem Archiv, in der Boutrup mit der Nummer 51–511 geführt wurde. Was ist dein Geheimnis?, fragte er sich.
Er war sich ganz sicher, dass sie diesen Mann bald finden würden. Aber er war bei weitem nicht sicher, ob sie jemals in die Nähe der Wahrheit gelangen würden.
Er musste an Lena
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