Rachlust - Dicte Svendsen ermittelt
zu verflüchtigen. Sie streichelte den Hund, der seinen Kopf gegen ihre Hand und in die Decke bohrte. Sie sehnte sich nach Bos Körper dicht an ihren gedrängt, und wenn alles verlorengehen sollte, so würde ihr doch wenigstens das bleiben.
Sie stand auf und holte sich Zeitung und Brötchen beim Bäcker, versuchte einen ganz normalen Sonntag zu verbringen, nur eben allein. Sie brühte sich zur Feier des Tages eine ganze Kanne Kaffee auf, denn in der Woche trank sie nur löslichen. Dann schmierte sie Butter auf ein Mohnbrötchen und legte eine dicke Scheibe Käse obendrauf. Sie ließ sich viel Zeit mit dem Lesen der
Sonntagszeitung
. Sie tat all das, was im Alltag niemals stattfand. Und dennoch konnte sie sich nichts vormachen. In ihrem Inneren brannte es lichterloh. Und das würde es so lange tun, bis sie ihn gefunden hatte, vielleicht auch noch länger, nämlich bis diese verdammte, verhängnisvolle Angelegenheit einen Abschluss gefunden hatte.
Sie saß am Esstisch, blätterte die Zeitung durch, goss sich Kaffee nach und zwang sich dazu, das ganze Brötchen zu essen. Sie hatte sich auch die
NyhedsPosten
gekauft, aus zwei Gründen. Zum einen hatte der Aufsteller getitelt, dass die Bürgermeisterkandidatin Francesca Olsen zugegeben hatte, junge Männer für Sex bezahlt zu haben. Außerdem aber bot diese Zeitung die meisten Kontaktanzeigen: kurze codeartige Textblöcke, in denen Prostituierte um Kunden warben.
Als Erstes nahm sie sich den Artikel über Francesca Olsen vor und erinnerte sich dabei an einen anderen Beitrag von demselben Journalisten, in dem es um Schwarzarbeit ging. Vor über fünfzehn Jahren sollten Olsen und ihr damaliger Mann eine Putzfrau schwarz beschäftigt haben. Und jetzt das hier. Das roch alles sehr nach einer Hetzkampagne, als hätte jemand beschlossen, diese Frau um jeden Preis zur Rücknahme ihrer Kandidatur zu zwingen. Die Zeitung hatte zwei junge Männer aufgetan, die bezeugten, der Bürgermeisteranwärterin über einen Escortservice gegen Bezahlung für sexuelle Dienste zur Verfügung gestanden zu haben. Der eine im Oktober 2000, der andere im Sommer 2003. Und die Protagonistin der Story hatte sich dafür entschieden, alles zuzugeben. Dicte registrierte mit einer gewissen Genugtuung, dass Francesca Olsen weder versuchte, sich zu verteidigen, noch sich zu entschuldigen. Sie wurdeauch nicht mit der Bemerkung zitiert, dass die Presse diese Geschichte bei einem männlichen Kollegen niemals veröffentlicht hätte. Aber genau so verhielt es sich, das wusste Dicte nur allzu gut. Die Journalisten verfügten über Unmengen an Geschichten über männliche Politiker und deren oftmals zügellose Libido, aber keine davon wurde als nennenswert oder relevant genug erachtet, um abgedruckt zu werden. Allerdings hatte es vor einiger Zeit die Story eines männlichen Kollegen in die Schlagzeilen gebracht, der eine Affäre mit einem sehr jungen Mädchen gehabt hatte. Vielleicht war die Feststellung doch angebracht, dass sich die Grenzen der Presse verschoben hatten, was diese als interessant für die Öffentlichkeit ansah. War Francesca Olsen das erste Opfer in einem neuen Krieg, in dem die Grenzen der Berichterstattung neu gezogen wurden, was für die Presse als relevante oder unerhebliche Information bewertet wurde? Wenn dieser junge Politiker keine Affäre gehabt hätte, sondern sich den Sex gekauft hätte, wäre die Story wahrscheinlich niemals gedruckt worden.
Dicte musste an die Autobombe denken und den Einbruch bei der Politikerin, und sie überlegte, ob diese Pressehatz gegen Francesca Olsen in irgendeiner Verbindung mit der Detonation im Solarium und somit indirekt mit den Ermittlungen gegen Peter Boutrup zusammenhing. Auf jeden Fall musste es einen Maulwurf geben, der die Journalisten häppchenweise mit Informationen versorgte, ziemlich sicher gegen Bezahlung. Sie musste auch an ihr Interview mit Olsen denken und an die Angst, die sie in ihren Augen gesehen hatte. Wovor hatte sie solche Angst? Wusste sie, wer sie da zum Rückzug aus den politischen Geschäften zwingen wollte? Vielleicht war die Zeit reif für ein zweites Gespräch.
Nach dem Artikel über Francesca Olsen stürzte sich Dicte auf die Kleinanzeigen, die mit diversen Sexangeboten aufwarteten. Es war mühselig, aber sie wusste nicht, wie sie anders hätte vorgehen sollen. Sie rief alle 0900-Nummern an und gab sich alsVermittlerin für einen wohlhabenden und vielbeschäftigten Kunden aus, der auf der Suche nach Bordellen mit
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