Rachlust - Dicte Svendsen ermittelt
die Lust nicht verlorenging. So liebte sie es, darin widersprach sie dem Klischee einer Prostituierten. Miriam, die einenharten, unbarmherzigen Alltag lebte, hatte es persönlich am liebsten sanft und zärtlich.
Er hatte sie immer mal wieder fragen wollen, warum. Auch früher schon. Denn er war immer davon ausgegangen, dass Miriam eines Tages damit aufhören würde, ein neues Leben beginnen, einen neuen Job finden würde. Sie hatte alle Voraussetzungen dafür. Sie war clever, schnell und fleißig. Aber sie schien doch festzuhalten an diesem Leben, das sich in seiner unbequemen Art doch als so bequem erwies. Schnelles Geld auf steinigem Weg, was sich allerdings erst später im Leben zeigte, wenn der Ekel sich zu Wort meldete. Und das tat er immer, das hatte er schon oft beobachtet. Ekel darüber, was man sich von anderen gefallen lassen und was man sich selbst angetan hatte. Aber in diesem Augenblick und in den jetzigen Zeiten war sie wahrscheinlich dem Glück so nah, wie man ihm als Prostituierte nur kommen konnte. Das wusste sie sehr genau, und sie wusste auch, dass es eines Tages ein Ende haben würde.
Er wollte nicht respektlos sein und würde nur in sie eindringen, wenn sie ihn darum bat. Vorerst setzte er seine Finger wirkungsvoll ein und wanderte den Pfad entlang, auf dem so viele zuvor den Weg in sie genommen hatten. Von denen sich aber die wenigsten die Mühe gemacht hatten, ihr dabei Gutes zu tun. Er fand ihre empfindlichen Stellen, die wie Knospen aufsprangen und darum baten, liebkost zu werden. Sie stöhnte laut, und es machte ihn froh, als sie mit langen, schweren Stößen zum Orgasmus kam. Ganz außer Atem, als wäre sie eine Runde durch den Wind gelaufen.
Erst danach lud sie ihn zu sich ein, sich in ihr zu vergraben. Dann schliefen sie ein und wachten etwa eine Stunde später wieder auf.
»Bleibt ihr noch? Ist es hier sicher genug?«
»Nichts ist sicher im Moment.«
»Vielleicht solltest du die anrufen und ihnen deine Version erzählen.«
Während sie die Worte aussprach, hörte er bereits ihre innereAblehnung und Skepsis. In ihrer Welt war die Polizei keine Instanz, an die man sich freiwillig wandte, auch nicht in seiner. Schlechte Erfahrungen hatten das Vertrauen zerstört.
»Das finde ich nicht.«
»Ja, vielleicht hast du recht …«
Er war froh, dass sie ihn nicht fragte, ob er es getan hatte. Er fragte sich, ob sie glaubte, dass er schuldig war. Vielleicht tat sie das. Und vielleicht war er es auch.
»Entweder ist das ein großer Zufall oder es ist eine Falle«, sagte er, um ihrer Frage zuvorzukommen.
»Aber von wem?«
»Cato, möglicherweise.«
Sie stützte sich auf einen Ellenbogen.
»Das kann er doch gar nicht auf die Beine stellen. Zumindest nicht allein.«
Der Gedanke war ihm auch schon gekommen. Nicht allein, nein, ganz bestimmt nicht. Aber mit wem sollte er das zusammen gemacht haben? Catos Bekanntenkreis bestand aus Menschen wie denen auf der Bank vor dem Obdachlosenasyl. Wozu waren die noch in der Lage? Was konnten die auf die Beine stellen?
»Aber wer dann?«
»Was ist mit dem damals in Gjerrild? Der Tote? Der Thor erschossen hat? Könnten nicht seine Freunde damit zu tun haben? Seine Familie?«
In diesem Augenblick wünschte er sich, sie würde die alte Geschichte ruhen lassen. Er konnte die Erinnerung an diesen Tag und an alles, was danach geschehen war, nicht aushalten. Außerdem hielt er nichts davon, in der Vergangenheit zu graben und immer nur zurückzuschauen. »Oder Feinde aus dem Knast? Hast du welche?«
Das hatte er. Auch solche, die aus dem Knast die Fäden ziehen konnten.
»Die sind der Meinung, ich hätte einen Kumpel verpfiffen. Da kommen alle in Frage. Solche wie wir geraten doch immer in Schwierigkeiten.«
Sie sahen sich an, ihr Blick war ganz klar.
»Ja, solche wie wir.«
Sie klang fröhlich. Miriam hatte in ihrer wilden Jugend beschlossen, in der Sexbranche zu arbeiten, wie sie es nannte. Miriam kam aus sogenanntem guten Hause. Ihre Eltern und Geschwister hatten ihr damals den Rücken zugekehrt. Miriam hatte einen Freund gehabt, der aber nicht in der Lage war, sie seiner Familie vorzustellen. Miriam, die an ihren Entscheidungen so störrisch festhielt wie ein Esel, obwohl alles um sie herum in Auflösung begriffen war. Mit Ausnahme von Lulu, natürlich. Sie löste sich nicht in Wohlgefallen auf.
»Aber du warst am besagten Tag bei Adda und hast mit ihr geschlafen?«
Er seufzte, das Gesicht in ihrem Hals vergraben.
»Natürlich war ich bei ihr
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