Rachlust - Dicte Svendsen ermittelt
ein zusätzlicher Nachname, der an einem für immer klebenblieb. So wie Alexander vermutlich ab jetzt zum Dieb abgestempelt wurde. Ida Marie hatte einen Termin fürs Screening. Was wäre, wenn die feststellten, dass mit dem Kind etwas nicht in Ordnung war? Würde man dann nicht einen kleinen Eingriff machen, um sich des Beschwerlichen und Unangenehmen zu entledigen? Natürlich würde man das tun.
Das gehörte zwar nicht dazu, trotzdem musste er an Adda Boel denken. Auch sie war nicht normal gewesen. Ein weiterer Mensch, der nicht ins System passte, der die Gesellschaft nur Geld kostete und darum mehr Belastung als Bereicherung war. Er überlegte, ob ihr Tod damit zu tun hatte. Sie hatten alle möglichen Motive in Betracht gezogen, aber es war ihnen schwergefallen, sich einen Grund auszudenken, warum jemand einen behinderten Menschen töten sollte. Aber vielleicht war das schon die Erklärung. War es vorstellbar, dass Adda Boel getötet wurde, weil sie behindert gewesen ist?
Er entschied sich dafür, diesen Gedanken bei der morgendlichen Runde anzusprechen und sich detaillierter mit ihrer Krankheit und den Verbänden zu beschäftigen, in denen sie Mitglied gewesen war. Seltene Krankheiten. Wenn man an einerschweren Krankheit litt, war man ein anderer Mensch. Aber natürlich war es ein Unterschied, ob man Arthrose hatte oder an einer so seltenen Krankheit litt wie Adda. Einige Krankheiten bekamen mehr Aufmerksamkeit als andere. Einige waren populärer als andere. Brustkrebs zum Beispiel. In der Apotheke und an anderen Stellen konnte man sich kleine rosa Schleifen kaufen und damit den Kampf gegen Brustkrebs unterstützen. Dagegen war auch nichts zu sagen. Aber wer ließ Schleifen für eine seltene Krankheit produzieren? Wer wollte über eine Krankheit informiert werden, die nur ein minimales Risiko in sich barg, dass man an ihr erkrankte? Wer hatte Interesse, auf diesem Gebiet zu forschen? Wer nahm die Mühen auf sich, eine Medizin für eine Krankheit zu entwickeln, die nur für sehr wenige Patienten und damit Käufer infrage kam?
»So sieht er also aus.«
Ivar K hatte aus der Kriminaltechnischen Abteilung einen Ausdruck mitgebracht, auf dem ein ganz normaler Sportschuh zu sehen war. Den hatte die ENFSI geschickt, nachdem norwegische Polizeitechniker den entscheidenden Hinweis gegeben und den Sohlenabdruck identifiziert hatten.
»Aber es gibt ein Problem«, fuhr er fort, während eine Thermoskanne die Runde machte und die langen Arme des Gesetzes sich nach einem der Brownies streckten, die auf dem Teller in der Tischmitte lagen.
Wagner fand, dass es fast zu einfach klang, um wahr sein zu können.
»Adidas bestreitet allerdings, dass dieser Schuh aus ihrem Sortiment stammt.«
»Aber deren Logo ist doch sehr gut sichtbar«, bemerkte Jan Hansen und deutete auf das bekannte Zeichen am Rand.
»Trotzdem. Sie sagen, es handele sich dabei um eine Fälschung.«
»Und was bedeutet das für unsere Ermittlungen?«, fragte Lena Lund.
»Das bedeutet«, Ivar K warf ihr einen kalten Blick zu, »dass wir von der Adidas-Zentrale aus Deutschland keine Information zu erwarten haben, an wen sie diesen Typ von Schuh verkauft haben. Wenn wir zum Beispiel wüssten, dass der
Schuhring
von diesem Typ Schuh eine Partie in der Größe X gekauft hat, könnten wir diese Firma kontaktieren, unter Umständen den Kreis auf Århus eingrenzen und herausbekommen, wie viele Paar Schuhe in dieser Stadt in Umlauf gebracht wurden. Vielleicht könnten wir auf diesem Wege den Käufer identifizieren.«
»Wissen wir mittlerweile etwas über die Schuhgröße?«, fragte Wagner.
»Yes. Und das ist auch die große Neuigkeit. Größe 40. Das bedeutet, dass der Abdruck eindeutig nicht von Peter Boutrup stammt, es sei denn, er hat sehr kleine Füße.«
Hansen warf einen Blick in die Akte.
»Hier steht nichts über die Schuhgröße, aber er ist 1,85m groß, da wäre 40 viel zu klein.«
Wagner fasste zusammen.
»Das heißt, es gibt eine weitere Person, die sich ebenfalls in der Wohnung aufgehalten hat, und zwar unmittelbar vor dem Todeszeitpunkt des Opfers. Das kann entscheidend sein.«
»Vielleicht waren sie ja zu zweit, zwei Männer«, sagte Lena Lund.
»Größe 40. Das ist doch eher eine Frauengröße«, warf Hansen ein und biss herzhaft in einen Brownie.
»Vergewaltigung und Erwürgen? Wohl kaum!«, sagte Lena Lund mit Nachdruck und sah sich im Kreis um. »Auch Männer können kleine Füße haben.«
»Und Frauen merken manchmal einfach nicht,
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