Rachlust - Dicte Svendsen ermittelt
ihre Gelder, wenn sie Unterstützung bekommen? Spenden, Staatsgelder oder anderes? Wofür wird es verwendet? So was eben.«
Normal, unnormal, normal, unnormal. Die Wörter peitschten durch seinen Kopf. Er hatte das Bedürfnis, mehr Klarheit zu bekommen. Sein eigenes Leben klarer zu sehen. Eine Pause wäre das Richtige, in der keiner etwas von ihm wollte und er sich nicht zerreißen musste, um es allen recht zu machen.
Sie beendeten ihr Meeting, und jeder machte sich an seine Arbeit.
Er saß in seinem Büro und starrte auf die Aktenberge, als Meinert aus Ålborg anrief.
»Ich weiß ja nicht, ob es eine Relevanz hat, aber ihre Eltern sind schräge Leute.«
Unbehagen stieg in ihm auf. Sollte er abwiegeln und sagen, dass Lena Lund kein Problem mehr war? War er zu weit gegangen? Was sollte er mit dem Wissen über ihre Eltern anfangen?
»Wo hast du die denn getroffen?«, fragte er stattdessen.
»Beim Golfen. Sie spielen beide, wie sich zeigte, und beim 19. Loch bin ich zu ihnen gegangen … also an der Bar, verstehst du?«
»Ja?«
»Ich hatte das über Umwege erfahren, denn sie stehen nicht im Telefonbuch! Aber als ich mich umgehört habe, ganz diskret versteht sich, hat meine älteste Tochter erzählt, dass sie …«
Wagner wünschte sich sehnlich, Meinert würde endlich zurSache kommen. Aber er musste erst seine Geschichte loswerden über die Tochter, die sich an ein Mädchen erinnerte, mit der sie früher zum Reiten gegangen war und die sich dann als Lenas kleine Schwester Sally entpuppt hatte. Ferner erfuhr er, dass Sallys Vater der Besitzer des ersten Kinos in der Stadt sowie mehrerer Eigentumshäuser gewesen sei. Aber eines Tages habe er alles verkauft und sich in die Anonymität zurückgezogen.
»Aber wie ich schon sagte, habe ich sie also gefunden. Man sieht sofort, dass Lena die Tochter ihrer Mutter ist. Schön, strahlend und eiskalt, wenn du mich fragst …«
»Meinert …«
»Lass mich, ich bin pensioniert, ich darf sagen, was ich will.«
»Und was willst du mir sagen?«
Meinert hustete lautstark in den Hörer. Wagner hielt ihn von seinem Ohr weg und erinnerte sich an den immensen Zigarettenkonsum seines Kollegen. Aber das war Vergangenheit. Heutzutage durfte nirgendwo mehr geraucht werden.
»Die haben es doch tatsächlich geleugnet! Kannst du das glauben?«
»Was haben sie geleugnet?«
»Na, dass Lena ihre Tochter ist. Sie würden diese Person nicht kennen, ich würde mich irren und sollte sie augenblicklich in Ruhe lassen. Verdammt und zugenäht. Die haben mich behandelt wie so einen aufdringlichen Penner, der ein paar Kronen für ein Bier haben will.«
»Und du bist dir ganz sicher …?«
»Ja, und wie ich mir da sicher bin, so sicher wie mein Name …«
Der Rest des Satzes verschwand in einem geräuschvollen Räuspern und anschließendem saftigem Husten.
»So, jetzt ist es besser. Kannst du das Verhalten verstehen?« Das konnte Wagner nicht.
»Na, ich wollte mich nur melden, um dir zu sagen, dass da irgendwas nicht normal ist, nicht stimmt.«
Da war es schon wieder, normal, unnormal, dachte Wagner.
»Aber du sollst wissen, ich mache weiter. Ich habe die Spuraufgenommen. Das ist doch alles viel zu sonderbar, um es einfach auf sich beruhen zu lassen, oder?«
»Ja, hast recht«, murmelte Wagner, obwohl ihm nicht ganz wohl dabei war. Das ganze Lena-Lund-Projekt schien ihm auf einmal nicht mehr richtig zu sein. Man sollte es sein lassen, aber das konnte er Meinert jetzt unmöglich sagen. Deshalb beendete er das Gespräch und bedankte sich für die Informationen. Obwohl es im Büro ziemlich warm war, lief es ihm kalt den Rücken herunter. Wer verleugnete sein eigenes Kind?
Er würde das nicht tun. Und deshalb nahm er auch den Hörer ab, als eine Stunde später die Schuldirektorin anrief, um ihm mitzuteilen, dass Alexander nicht in der Schule erschienen war.
KAPITEL 44
Die wöchentliche Beilage »Krimizone« war Gegenstand der Krisensitzung in der Redaktion an diesem Morgen. Keiner hatte richtig Zeit, sich dafür Geschichten auszudenken. So war die Beilage kurz nach ihrer Lancierung schon zum Stiefkind der Redaktion geworden. Alle hatten genug damit zu tun, die Tageszeitung mit Stoff zu füllen.
»Okay, ich hab mir Folgendes überlegt«, sagte sie in die Runde, die sich am Couchtisch versammelt hatte. »Die Debatte um Prostitution wütet gerade in den Medien.« Sie nahm ihre Finger zu Hilfe und zählte auf: »Soll sie verboten werden? Sollen die Kunden kriminalisiert werden? Sind die
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