Rachmann, Tom
Newsroom.
Sie
schieben ihn in die Mitte und gehen ein paar Schritte auf Abstand. Die
Mitarbeiter versammeln sich vor Oliver. Der Teppichboden ist aber dreckig,
stellt er fest. Die Menge tuschelt. Er holt sich einen Plastikbecher Wasser vom
Spender.
»Ich
denke, wir sollten anfangen«, sagt Kathleen.
Er
entbietet ein wackliges Lächeln.
»Sie
kennen alle Leute hier?«, fragt Kathleen.
»Ich
glaube, einige Gesichter kommen mir bekannt vor«, sagt er. Aber er sieht in
kein einziges, sondern beugt sich nur vor, schüttelt Hände und murmelt: »Vielen
Dank ... danke ... hallo ... danke, dass Sie gekommen sind.«
Die
meisten Angestellten arbeiten seit Jahren in der Zeitung. Sie haben geheiratet
mit Blick auf ihre Einkommensperspektiven, Hypotheken aufgenommen im Vertrauen
auf ihren Arbeitsplatz und Familien gegründet, weil sie wussten, die Zeitung
würde das Leben ihrer Kinder finanziell absichern. Wenn der Laden zumacht,
sind sie ruiniert. Die ganzen Jahre lang haben sie über die Zeitung gelästert,
aber jetzt, wo sie ihnen mit dem Laufpass droht, sind sie plötzlich wieder
hoffnungslos in sie verliebt.
»Alle
da?«, fragt Oliver. Eine Minute spricht er frei, dann ist er mit den Nerven am
Ende und greift nach einem Exemplar des vertraulichen Rechenschaftsberichts des
Ott-Vorstands. Er überfliegt die Seiten und wirft immer wieder flehentliche
Blicke in Kathleens Richtung. Sie sieht weg. Er räuspert sich, er hat einen
wichtigen Absatz entdeckt. Er liest ihn vor und fügt hinzu: »Das ist der Beschluss
des Vorstands.« Er räuspert sich noch einmal. »Es tut mir wirklich leid.«
Schweigen
im Raum.
»Ich weiß
nicht, was ich noch sagen soll.«
Eine Frage
von hinten aus dem Newsroom zerreißt die Stille. Alle fahren herum, öffnen eine
Gasse. Die Frage kam vom Cheftechniker, einem breitschultrigen Amerikaner, der
an diesem Tag noch größer wirkt, weil er zufällig seine Rollerblades noch an
den Füßen hat. »Was 'n das für 'n Scheißdreck?«, sagt er. Und setzt nach:
»Jetzt erzählen Sie mal in einfachen Worten, was hier los ist.«
Oliver
stammelt ein paar Worte, aber der Techniker unterbricht ihn: »Hören Sie auf,
uns hier zu verarschen, Mann.«
»Das tue ich
nicht. Ich bemühe mich ja um Klarheit. Ich denke, dass -«
Ruby Zaga
fällt ihm ins Wort: »Also, der Ott-Konzern zieht den Stecker? Wollen Sie uns
das sagen?«
»So habe
ich das leider auch verstanden«, antwortet Oliver. »Und das tut mir
unglaublich, unglaublich leid. Ich weiß, dass das nicht reicht. Aber ich fühle
mich entsetzlich, wenn Ihnen das ein bisschen weiterhilft.«
»Nein,
tut's ganz und gar nicht«, sagt der Cheftechniker. »Und was zum Teufel soll das
heißen: >So habe ich das verstanden<. Was denn verstanden? Ihr Typen habt
das doch geschrieben. Kommen Sie mir bloß nicht so, Mann. Kommen Sie mir nicht
so.«
»Ich habe
das nicht geschrieben. Das war der Vorstand.«
»Sind Sie
da etwa nicht drin?«
»Doch,
aber ich war nicht bei der Sitzung.«
»Tja, und
wieso nicht?«
Irgendjemand
murmelt: »Wer hat den Typen eigentlich zum Verleger gemacht?«
»Der
Bericht sagt«, fährt Oliver fort, »dass das eine Frage des geschäftlichen
Umfelds ist. Es ist nicht nur die Zeitung - es sind die Medien insgesamt. Ich
denke ... Ich meine ... Ich weiß auch nur, was da drinsteht.«
»Scheißdreck.«
Oliver
dreht sich zu Kathleen und Abbey.
»Einen
Augenblick mal«, sagt Herman Cohen, »bevor wir hier alle um die Lampe fliegen,
gibt's da noch Verhandlungsspielraum? Ich würde gern wissen, wie endgültig
dieser Beschluss ist.«
Der
Cheftechniker überhört das und poltert auf seinen Rollerblades auf Oliver zu.
»Du bist ein Arschloch, Mann.«
Die
Situation ist kurz davor zu entgleisen.
Oliver
weicht einen Schritt zurück. »Ich - ich weiß nicht, was ich sagen soll.«
Der
Cheftechniker stürmt aus dem Raum und nimmt ein Dutzend zornbebender
Mitarbeiter mit.
»Meine
Kinder gehen auf eine Privatschule«, sagt Clint Oakley. »Wovon soll ich jetzt
das Schulgeld zahlen? Was sollen die denn machen?«
»Bietet
der Konzern eigentlich Abfindungen an?«, fragt Hardy Benjamin.
»Das weiß
ich nicht«, antwortet Oliver.
»Soll kein
Affront sein«, meldet sich Arthur Gopal, »aber was für einen Zweck hat diese
Versammlung eigentlich, wenn Sie uns überhaupt nichts sagen können?«
»Kann man
vielleicht mal mit jemandem reden, der uns ein paar mehr Informationen geben
kann?«, fragt Craig Menzies. »Kathleen? Abbey?«
Abbey
tritt vor. »Mr
Weitere Kostenlose Bücher