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Rachmann, Tom

Rachmann, Tom

Titel: Rachmann, Tom Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Die Unperfekten
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Kathleen. »Ich bin in der Redaktion und erbitte Rückruf.
Danke.«
    Oliver
zieht ein Agatha-Christie-Taschenbuch aus einem Bücherstapel auf dem Boden und
macht es sich und dem (mit einem Schokokeks animierten) Hund auf dem Sofa
gemütlich. Um sieben Uhr meldet das Hauspersonal, das Abendessen sei fertig.
Eine Art Eintopf. Zu viel Rosmarin, zu wenig Salz, aber ansonsten kann man ihn
essen. Schopenhauer schnuppert in der fleischduftenden Luft, flehentlich und
mit schwermütigen blutunterlaufenen Augen und sabbernden Lefzen. Oliver holt
die Zeitung vom Tag - die Abo-Abteilung lässt sie ihm hartnäckig zustellen,
obwohl er das Ding nie liest. Er breitet sie auf dem Tisch aus und stellt
seinen Teller mit den Essensresten darauf. Er zieht einen Stuhl heran,
Schopenhauer springt hoch und niest als Erstes seinen Rotz quer über den Tisch.
Dann legt er die Schnauze schräg, schnappt Fleisch und Karotten, reißt den Kopf
zurück und würgt alles auf einmal die Kehle hinunter.
    »Mir wäre
es lieber, du würdest Messer und Gabel benutzen«, sagt Oliver, »aber leider ist
dir das nicht beizubringen.«
    Als der
Teller saubergeleckt ist, knüllt er die von Soßenspritzern und
Knorpelklümpchen übersäte Zeitung zusammen. Dann bringt er sie zum Abfalleimer
in der Küche, wo Schopenhauer mit Zunge und Ohren gleichzeitig durchs Wasser
schlabbert und seine Schüssel leer säuft.
    Wieder
klingelt das Telefon im Salon. Und wieder geht nur die Maschine dran. »Ich
fahre jetzt nach Hause«, sagt Kathleen matt. »Bin auf meinem Handy erreichbar.
Rückruf war schön noch heute Abend. Ist 'n bisschen dringend. Danke.«
    Schopenhauer
schubst die Tür mit der Nase auf und trottet nach oben.
    »Mal
allein sein tut jeder Beziehung gut«, stellt Oliver in den Raum, als wäre der
Hund noch in Hörweite. Dann legt er sich bäuchlings auf den Boden zwischen die
Stapel von Büchern, die um ihn herum ragen wie Gebirge: >Miss Marples letzte
Fälle<, ein >Turner<-Band von Taschen, Sotheby's Auktionskatalog
>Britische Kunst des 20. Jahrhunderts< die
>Father-Brown<-Gesamtausgabe von Penguin, ein Katalog der National
Gallery zu >Caravaggio: Die letzten Jahre< und >Sherlock Holmes' Buch
der Fälle<. »Wo bist du denn hin?«, fragt er den abwesenden Hund. Er sieht
in der Küche nach. »Schop?« Er guckt ins Esszimmer. »Wo in Dreiteufelsnamen
bist du?«
    Mit einer
Taschenlampe steigt er die dunkle Treppe hinauf. (Oliver bewohnt nur das
Erdgeschoss, der Rest der Villa liegt komplett im Dunkel, die Möbel sind mit
Planen abgedeckt.) Der Lichtstrahl streicht über den Treppenabsatz im ersten
Stock. »Schopenhauer, wo bist du?« Oliver verschwindet im schwarzen Bauch des
Hauses. Ein Kronleuchter funkelt. Das Telefon im Salon klingelt. Der
Anrufbeantworter sagt piep. Das Display für eingegangene Anrufe blinkt
permanent »99«, es hat nur zwei Ziffern.
    »Wo bist
du denn, du Narr?«, ruft Oliver in den verdunkelten Ballsaal. Er schwenkt die
Taschenlampe im Kreis und sagt laut: »Ah!« Reflektierende Augen, unterm
Klavier. »Entschuldige, ich wollte dich nicht blenden.« Er knipst die
Taschenlampe aus, und der Basset kommt angetrottet. Seine überlangen Nägel
klackern auf dem Hartholzboden. Oliver kniet sich hin, um seinen Freund zu
begrüßen. »Was hast du denn unterm Klavier gemacht? Geschlafen?« Er zieht
Schopenhauer das feuchte Riesenohr lang. »Hoffentlich habe ich dich nicht
geweckt.«
    Sie tasten
sich durch das Dunkel bis ins Arbeitszimmer, in dem noch immer die Unterlagen
des Großvaters aus seiner Zeit in Rom liegen. Oliver schaltet die Lampe an und
schnüffelt wie ein Detektiv auf Spurensuche in den Schubladen. Er entdeckt
einen Briefblock mit Otts Notizen von vor fünfzig Jahren - es geht um
Zeitungspapierrollen, Preise für Linotype-Druckmaschinen, Telexgebühren. Und
da liegt ein unvollendeter Brief an seine Frau und seinen Sohn: »Liebe Jeanne, lieber Boyd, es
ist wichtig zu erkennen, und ich möchte ganz klar sagen ...« Danach ist
Schluss.
    Oliver
schlägt die Seite um und findet noch einen Brief: »Ich möchte, dass Du alle
Gemälde bekommst - wir haben sie zusammen gekauft, und ich finde, sie gehören
Dir«, fängt er an. »Gib diesen Brief meinen Anwälten, sie werden tun, was
ich sage.« Die nächste Zeile ist unleserlich. Dann: »Ich sehne mich danach, Dich
zu sehen, aber ich werde nicht anrufen. Diese Krankheit hat nichts Angenehmes.
Nichts, was irgendjemand zu sehen braucht. Aber Du sollst wissen, dass ich
bestimmte Dinge bereue«,

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