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Rachmann, Tom

Rachmann, Tom

Titel: Rachmann, Tom Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Die Unperfekten
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Ott ist als Einziger autorisiert, für den Konzern zu sprechen.«
Sie tritt wieder zurück.
    Weitere
Mitarbeiter verlassen aufgebracht den Raum.
    »Seit wann
wissen Sie eigentlich, dass das auf uns zukommt?«, fragt jemand.
    »Ich habe
es eben erst erfahren«, sagt Oliver.
    Ungläubiges
Gebrüll von einigen Leuten.
    »Reine
Zeitverschwendung«, sagt jemand.
    Weitere
Mitarbeiter gehen.
    »Wenn der
Konzern mal versucht hätte, in die Zeitung zu investieren, statt das ganze Ding
an die Wand zu fahren, dann säßen wir jetzt vielleicht nicht in dieser
Scheiße.«
    Oliver
beugt sich zu Kathleen. »Was soll ich machen?«, flüstert er. »Ich glaube, das
läuft hier aus dem Ruder. Sollen wir die Versammlung beenden?«
    »Ist Ihre
Show.«
    Er wendet
sich wieder der Menge zu, die längst keine Menge mehr ist. Nur noch ein paar
Leute stehen vor ihm im Newsroom. In den Ecken tröstet man sich gegenseitig,
führt ohne Genehmigung private Telefongespräche, zieht sich den Mantel über und
geht.
    »Es tut
mir unglaublich leid«, sagt Oliver noch einmal.
    »Ich
wiederhole mich, aber ich weiß einfach nicht, was ich sonst sagen soll. Ich
werde versuchen, auf alle Ihre Fragen Antworten zu bekommen.«
    »Könnten
Sie dann auch jemanden mitbringen, der tatsächlich was weiß?«
    »Ja«,
antwortet er und nickt dem Fußboden zu, »ja. Ich will versuchen, jemand
Richtiges zu finden, der kommt und mit Ihnen redet.«
    Selbst
Kathleen und Abbey sind weg. Er steht jetzt ganz allein vor den wenigen
fassungslosen Redakteuren, die noch dageblieben sind. »Ah, Wiedersehen«, sagt er.
    Einen
Augenblick lang steht er verloren da, dann stolpert er auf Kathleens Büro zu.
Auf halbem Weg bleibt er wieder stehen. Er dreht den Kopf, streicht sich die
Haare hinter die Ohren.
    Von
irgendwo da unten kommt ein Geräusch.
    Oliver
rennt ins Büro. Abbey und Kathleen knien auf dem Boden.
    Zwischen
den beiden Frauen liegt Schopenhauer, aber er sieht nicht zu Oliver, sondern
auf die Wand, weil irgendjemand gewaltsam seinen Kopf in diese Richtung
gedreht hat.
    Der Hund
schnauft, sein Unterkiefer hängt schlaff nach unten, er gibt seltsame Töne von
sich. Er scheint keine Luft zu bekommen: Seine Lunge dehnt sich nur wenig, er
winselt, dann fällt sein Brustkorb wieder ein. Er ist noch immer am
Schreibtisch angeleint, Kathleen reißt an der Leine: »Verdammtes Ding!« Endlich
hat sie den Knoten auf, aber das nützt jetzt auch nichts mehr: Schopenhauer
regt sich nicht mehr. »Verdammtes Ding«, sagt sie noch einmal. Schlägt gegen
das Tischbein. »Verdammt.«
    »Was ist
denn passiert?«, fragt Oliver. »Ich verstehe nicht, was passiert ist.«
    »Ich
denke, jemand ist hier reingekommen«, sagt Kathleen, »während wir alle draußen
waren.«
    Aber das
hat Oliver nicht gemeint - er hat gemeint: Was ist da gerade eben passiert?
Gemeint: Warum ist Schopenhauer so still?
    »Das ist
ja krank«, sagt Abbey. »Total krank. Und das war jemand, der hier arbeitet.
Hast du gesehen, wer früher gegangen ist?«
    »Fast alle
sind früher gegangen«, antwortet Kathleen.
    Abbey
sagt: »Es tut mir wirklich leid, Oliver.«
    »Sehr
leid«, sagt Kathleen.
    »Ist er
schwer verletzt?«, fragt Oliver.
    Keine der
beiden antwortet.
    »Wir
müssen die Polizei rufen«, sagt Abbey.
    »Bitte
nicht«, sagt Oliver.
    »Wir
müssen den finden, der das getan hat.«
    »Ich
bringe ihn jetzt weg. Wir wollen«, sagt Oliver, »wir wollen niemandem Vorwürfe
machen. Ich will gar nicht wissen, wer das getan hat. Sie waren alle wütend auf
mich.«
    »Das ist
keine Entschuldigung für das hier. Es ist einfach nicht zu fassen.«
    »Keiner
trägt die Schuld daran«, sagt Oliver.
    »Doch«,
beharrt Kathleen.
    Oliver
schiebt seinen Arm unter Schopenhauers schlaffen Leib und hebt ihn ächzend
hoch. »Er wiegt immer mehr, als ich denke.«
    Er trägt
seinen Hund durch den Newsroom, zieht mit dem kleinen Finger die
Fahrstuhlkäfigtür auf und betritt den Lift. Er verrenkt sich, um an den Knopf
fürs Erdgeschoss zu kommen, aber mit Schopenhauer auf dem Arm schafft er es
nicht. »Guter Junge«, sagt er, während er seinen Freund auf den Boden legt,
»guter Junge.« Dann drückt er auf den Knopf und starrt hoch zur Decke. Der
Fahrstuhl rattert einen Augenblick lang, dann gleitet er abwärts.
     
    2007. Corso Vittorio, Rom
     
    Die letzten Tage der Zeitung
waren nervenaufreibend. Ein paar Mitarbeiter kamen überhaupt nicht mehr. Andere
schleppten Computer-Equipment weg, als Entschädigung für künftige Gehälter.
Manche

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