Radau im Reihenhaus
in Baden-Baden oder Travemünde jeendet. Da hat er denn det Jeld am Spieltisch vajubelt. Und wie det alle war, hat er Hypotheken uff det Haus uffjenommen. Und nu is die Bombe jeplatzt! Zahlen kann er nich, Arbeet hat er ooch keene, überall is er vaschuldet, und wenn nich’n Wunda jeschieht, denn sitzt er in Kürze uff der Straße. Um ihn is det nich schade, aber Jerlinde und die Kleene tun mir leid. Die könn’ doch wirklich nischt dafür, det der Kerl so’n Windhund is. Von seine Frauenjeschichten will ick erst jarnich reden.«
»Und kein Mensch hat etwas gemerkt«, sagte ich fassungslos. »Von wem hast du denn das alles?«
»Von Jerlinde natürlich. Die weeß ja nich mehr, wat se machen soll. Det muß schon ‘ne janze Weile so jehn, aba sie hat ja mit keenem hier jeredet. Aba wie der Jerichtsvollzieher die janzen Möbel jepfändet hat, da hat’s denn bei ihr ausjerastet, und sie hat sich bei Dorle ausjeheult. Erzähl det aba nich weiter! Die janze Jeschichte wird noch früh jenug durchjehechelt.«
Zum erstenmal zeigte Obermüller Diskretion, ein Beweis dafür, daß ihm Frau Wittinger wirklich leidtat. Mir ja auch. Sie war noch so jung und wohl auch gar nicht in der Lage gewesen, mit dem plötzlichen Reichtum fertigzuwerden. Jetzt stand sie vor dem Nichts. »Wenn sie wenigstens einen anständigen und zuverlässigen Mann hätte…«
»Det hab’ ick ihr ooch jesacht. Wenn de vernünftig bist, Jerlinde, hab’ ick jesacht, denn läßt de dich scheiden – je schneller, desto besser. Alleene kommste mit der Kleenen immer durch, aba nich, wenn de den Hallodri am Rockzippel hast. Ick jloobe, sie hat ooch jenuch von ihm. Roswitha hat ihr ja schon vor Wochen jesteckt, det er so’n Weibsbild in Düsseldorf hat.«
Was ist paradox? Wenn man auf einer Silberhochzeit über Scheidung spricht. Zum Glück hatte uns niemand zugehört. Die anderen Gäste unterhielten sich über Kohlsorten und Kochrezepte.
»… und als ich die vielen Gläser mit der Babynahrung in meinen beiden Einkaufstaschen endlich verstaut hatte«, kicherte Frau Straatmann, »da fragte doch die Kassiererin neugierig: ›Kriegt jemand in Ihrer Familie etwa Zwillinge?‹ – ›Nein‹, habe ich gesagt, ›aber mein Mann bekommt in der nächsten Woche ein Gebiß!‹«
Dem brüllenden Gelächter konnte Herr Straatmann nur ein gequältes Grinsen entgegensetzen.
Die Party wurde zunehmend munterer und erreichte ihren vorläufigen Höhepunkt, als Isabell ihren großen Auftritt hatte. In eine hellblaue Chiffonwolke gehüllt, schwebte sie über die Schwelle, grüßte hoheitsvoll nach allen Seiten und verkündete in das plötzlich ausgebrochene Schweigen: »Ich habe eine Überraschung mitgebracht!«
Die Überraschung war klein, dick und kahl, trug auch einen Smoking und war zumindest mir flüchtig bekannt.
»Darf ich Ihnen Dr. Heribert Gundloff vorstellen?«
»Det is ja’n echter Verwandter!« staunte Obermüller.
»Wie man’s nimmt«, sagte Isabell hintergründig. »Er war es mal, und er wird es bald wieder.«
»Nach fünf Steinhägern kann ick keene Rätsel mehr raten.«
»Ich hab’s!« schrie Frau Heinze. »Das ist Ihr Geschiedener, und Sie wollen ihn nochmal heiraten!«
»Wat denn, det is der Zahnklempner mit die jroße Praxis? Den haste doch nich nötig, Babydoll, du hast doch janz prima Beißerchen.«
»Die sind ja auch von mir«, sagte Heribert bescheiden.
Von Silberhochzeit war keine Rede mehr. Jetzt feierten wir Isabells Verlobung. Mit Körngens Sekt. Wir feierten so lange, bis Michael erschien. »Mutti, könntest du mal eben rüberkommen? Püppi ist schlecht. Sie hat den ganzen Teppich vollgekotz… vollgespuckt, meine ich, und Karsten hat Bauchweh, und Sascha heult, und wer die Schlagsahne auf den Sessel geschmiert hat, weiß ich nicht.«
Aus Platz- und wohl auch aus anderen Gründen hatte Frau Körngen angeregt, daß die Kinder ihre Kuchenschlacht möglichst fern von uns austragen sollten, und Dorle, diese hoffnungslose Optimistin, hatte ihr Haus zur Verfügung gestellt und geglaubt, mit Michael und Hendrik als Babysittern könnte eigentlich nicht viel passieren. Dabei sind Babysitter nichts anderes als Teenager, die sich wie Erwachsene benehmen wollen, während die Erwachsenen ausgehen und sich wie Teenager benehmen.
Michaels Hiobsbotschaft löste den allgemeinen Aufbruch aus. Bei dem Versuch, ihren Liebling so schnell wie möglich unter die mütterlichen Fittiche zu nehmen, verwickelte sich Frau Vogt in ihren langen Rock und
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