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Radau im Reihenhaus

Radau im Reihenhaus

Titel: Radau im Reihenhaus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Evelyn Sanders
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aufzuhalten. Ein Smoking und zwei dunkle Anzüge erhoben sich, was bei dem zusammengewürfelten Mobiliar, mit dem das Zimmer vollgestopft war, etwas schwierig wurde. Frieses Stuhl kollidierte mit dem dahinterstehenden Teewagen, Herr Straatmann stieß mit dem Kopf an den tiefhängenden Kronleuchter, und Herr Vogt verharrte trotz Smoking in demutsvoller Haltung, weil er den schweren Eichentisch vor dem Bauch hatte und sich nicht völlig aufrichten konnte.
    »Wat soll denn det Theater? Sonst seid ihr ja ooch nich so förmlich; also setzt euch wieda hin!« Obermüller ließ sich in einen Sessel fallen, sprang aber sofort wieder auf. »Aua, det piekt ja! Hab’ ick mir etwa uff n Kaktus jesetzt?«
    Es war kein Kaktus. Nur die blecherne Silbergirlande, mit der man diesen Sessel dekoriert hatte, war ins Rutschen gekommen.
    »Für’n Thron fühl ick mir nich königlich jenuch!« Obermüller wechselte aufs Sofa. Indigniert raffte Frau Vogt ihren fliederfarbenen bodenlangen Taftrock zusammen und rückte zur Seite; für Obermüller hatte sie noch nie etwas übriggehabt.
    Wir Neuankömmlinge wurden auf die noch freien Sitzgelegenheiten verteilt, mußten aber gleich wieder aufstehen und das Kuchenbüfett bewundern, wo von Sachertorte bis zu Teegebäck alles aufgebaut war, was eine gutbesuchte Konditorei in drei Tagen umsetzt.
    »Nehmen Sie die Himbeertorte, die ist erstklassig!« empfahl Roswitha Friese. »Ich hab’ schon zwei Stücke gegessen.« Sie musterte die süßen Köstlichkeiten und entschied sich für ein Sahnebaiser.
    »Ich denke, zur Zeit sind Sie auf dem Hungertrip?« wunderte ich mich. Nötig hatte sie es wirklich. In dem schwarzen Satinkleid sah sie aus wie eine vollgestopfte Blutwurstpelle.
    »Man kann doch mal eine Ausnahme machen. Ich bin ja schon fast wieder auf das Gewicht herunter, das ich eigentlich nie überschreiten wollte. Ich passe ja auch ganz genau auf, was ich esse – aber essen tu ich’s.«
    Frau Körngen zwängte sich durch die Gäste. Mit der einen Hand raffte sie ihr Kleid, in der anderen hielt sie die Kaffeekanne. Ihr Mann reichte Sahne und Zucker herum.
    »Es ist doch etwas eng geworden«, sagte sie entschuldigend, stellte die Kanne auf einen Hocker und begann mit ihrem Spitzentüchlein den Kaffeefleck auf Frau Straatmanns Bluse zu bearbeiten. »Ich habe ja gleich gesagt, Arthur, daß wir für die Feier einen Saal mieten sollen.«
    Arthur sagte nichts. Er verschwand halb hinter der Zimmerlinde und tauchte alkoholisch gestärkt wieder auf. Ich konnte ihn nur zu gut verstehen. Krampfhaft bemüht, irgendein Gespräch in Gang zu bringen, erkundigte ich mich bei Frau Körngen, wie viele Gäste sie denn noch erwarte.
    »Ich weiß es nicht. Aber mein Sohn wird auf jeden Fall auch noch kommen.«
    Bei dem Wort »Sohn« hatte Frau Heinze instinktiv aufgehorcht. »Wie alt ist er denn?«
    »Vierundzwanzig«, sagte Arthur.
    »Schon verheiratet?«
    »Ach nein, das hat noch Zeit. Er wird von sehr vielen jungen Damen umschwärmt, weshalb sollte er sich jetzt schon für eine entscheiden?« Stolz klang aus Frau Körngens Stimme.
    »Ihnen kann das doch egal sein«, flüsterte ich leise, »Sie haben sich Ihren Schwiegersohn doch schon ausgesucht.«
    Frau Heinze lachte. »Das muß ich ihm bloß noch klarmachen.«
    »Wollen Sie das nicht lieber Patricia überlassen?«
    »Die weiß doch nicht, wie man das macht. Immerhin ist es ja ihre erste Ehe.«
    Arthur erschien mit einem Tablett und sammelte Teller und Tassen ein. Frau Körngen verteilte Gläser.
    »Nu kommt der jemütliche Teil«, freute sich Obermüller, der zu seinem Bedauern immer noch nüchtern war.
    »Wo bleiben eigentlich Wittingers?« fragte ich ihn, denn die würden sich doch bestimmt nicht die Gelegenheit entgehen lassen, uns endlich wieder einmal ihre Abendgarderobe vorzuführen. »Es sollte mich wundern, wenn er nicht einen Frack anzieht.«
    »Ick würde mir viel mehr wundern, wenn die überhaupt kommen. Die haben doch’n Kopp voll und den Jerichtsvollzieher im Jenick. Oder weeßte det noch wieda nich?«
    »Ich weiß gar nichts. Mir erzählt ja niemand was!«
    Obermüller rückte ein Stück näher und begann mit halblauter Stimme: »Wie det Finanzamt neulich Vermöjenssteu- er kassieren wollte, is rausjekommen, det überhaupt keen Vermöjen mehr da is. Schon lange nich mehr. Der Rudi hat allet uffn Kopp jehauen. Jerlinde hat er erzählt, det er Repräsentant jeworden is und viel uff Reisen is. Na ja, det war er ja denn ooch, bloß haben die Fahrten

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