Radau im Reihenhaus
kleine Teppichbrücke, die Isabell dank weitreichender Beziehungen preisgünstig besorgen konnte, hatte es gereicht.
»Eijentlich finde ick det nich richtich, det een Jeschenk von mir mit Füßen jetreten wird«, hatte Obermüller gemeckert, »aba wenn der Lappen wirklich echt is, denn können se den ja ooch an die Wand hängen. Da wird er wenigstens nich abjenützt.«
Erst bei den tagelangen Beratungen über Art und Umfang der Silberhochzeitsgabe war herausgekommen, daß noch niemand von uns das Haus von Körngens betreten hatte. Wir wußten also gar nicht, wie sie eingerichtet waren, und hatten deshalb auch die Keramikbowle abgelehnt sowie den beleuchteten Tischspringbrunnen, für den Frau Vogt in so beredten Worten plädiert hatte. Überhaupt stellte sich heraus, daß wir über Körngens so gut wie gar nichts wußten. Bestimmt waren beide schon über die Fünfzig hinaus, und wenn sie auch im großen und ganzen ein bißchen hausbacken wirkten, so besaß zumindest Frau Körngen eine verhältnismäßig teure Garderobe. Ich hätte zwar keine ihrer blümchen- und bortenverzierten Blusen haben wollen, aber die hochwertigen Stoffe hätte ich sofort genommen. Ihr Mann schien als eine Art Vertreter zu arbeiten. Ähnlich wie Rolf war er häufig zu Hause, dann wieder sah man ihn tagelang nicht, aber im Grunde genommen war es ja auch egal, ob er nun Kinderspielzeug oder Druckmaschinen verkaufte. Offenbar konnte er recht gut davon leben.
»Was ziehst du eigentlich an?« wollte ich von Dorle wissen, als ich den ausgeliehenen Pfefferminztee zurückbrachte. Sie sortierte gerade Kinderwäsche, und das mußte bei mir wohl eine Art Assoziation ausgelöst haben.
»Anziehen? Wann?« Prüfend hielt sie ein Oberhemd von Michael hoch und legte es auf einen Stapel anderer Kleidungsstücke. »Alles zu klein geworden! Früher bekam die Sachen, aus denen ein Junge herausgewachsen war, der jüngere Bruder. Heute kriegt sie die Schwester.« Sie faltete den letzten Pullover zusammen und steckte alles in eine Plastiktüte. »Was hattest du eben gefragt?«
»Ich wollte wissen, was du nachher anziehst.«
»Weiß ich noch nicht. Frau Körngen rennt mit Schleppe rum, aber ich käme mir wirklich zu albern vor, wenn ich am hellichten Tag was Langes anziehen müßte. Außerdem habe ich gar nichts. Ich könnte höchstens mein schwarzes Perlonnachthemd nehmen und behaupten, es stamme aus Paris und sei der letzte Schrei.«
»Wer sagt denn überhaupt, daß wir in großer Toilette erscheinen müssen? Wir gehen ja nicht zur Nobelpreisverleihung.«
»Der Bräutigam trägt einen Smoking«, gab Dorle zu bedenken.
»Laß ihn doch! Ich glaube trotzdem nicht, daß unsere Männer sich freiwillig in diese Zwangsjacken werfen. Rolf hat seinen zum letztenmal auf dem Presseball getragen. Ich weiß das noch deshalb so genau, weil ich schon fix und fertig angezogen war und mich wahnsinnig geärgert habe, daß ich mit frischlackierten Nägeln noch einmal Svens Windeln wechseln mußte.«
Wir einigten uns darauf, daß ein dezentes Nachmittagskleid dem feierlichen Anlaß wohl genügen würde.
»Holt mich ab, bevor ihr rübergeht«, bat ich Dorle, denn mit eigenem Begleitschutz konnte ich nicht rechnen. Nach Rücksprache mit Alex, der seine Teilnahme verweigert und behauptet hatte, seinen Whisky könne er immer noch selber bezahlen, hatte auch Rolf abgelehnt, sich in das Defilee einzureihen. »Sag einfach, ich sei verreist oder krank oder gestorben, dir wird schon etwas einfallen.«
»Warum müßt ihr Körngens so brüskieren?« versuchte ich es erneut. »Alle anderen kommen doch auch.«
»Eben drum!« beschied mich mein Gatte. »Wenn sie einzeln oder meinethalben auch paarweise auftreten, sind unsere Nachbarn durchaus erträglich. In komprimierter Form möchte ich sie lieber nicht noch einmal erleben. Ich hab’ noch vom Sommerfest die Nase voll.«
»Dann kommt doch wenigstens am Abend rüber. Herr Heinze wird auch erst später aufkreuzen. Wenn ihr zu dritt seid, fällt es gar nicht auf.«
»Mal sehen«, sagte Rolf. »Allenfalls der Hunger könnte mich hintreiben. Hast du absichtlich nichts zum Abendessen gekauft?«
Es klingelte. Vor der Tür stand eine sehr verlegene Frau Vogt, die mich um einen Meter Gummiband bat. Gerade, als sie ihr Kleid aufbügeln wollte, sei doch in der Taille das Band…. und ausgerechnet jetzt habe sie festgestellt, daß sie keinen Ersatz…. schrecklich peinlich sei ihr das, und wenn noch genug Zeit wäre, würde sie ja sofort in
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