Radegunde von Thueringen
und schmackhaft werden.
Radegunde
Jeden Tag inspizierte Radegunde die Baufortschritte an den Klostermauern. Direkt an der alten römischen Stadtmauer hatte sie mit Chlothar gemeinsam einen idealen Bauplatz ausgesucht. Es handelte sich um einen verlassenen Hof aus römischer Zeit, dessen Grundmauern nur noch Ruinen waren. Die Nähe zum Fluss war äußerst praktisch, sie würden eine eigene Mühle bauen, um ihr Getreide selbst zu mahlen. Die Lage an der Mauer sicherte ihnen die nötige Abgeschiedenheit. Sowohl der Herzog als auch der Bischof hatten ihre Versprechen gehalten und unterstützten sie tatkräftig mit der Beschaffung von tüchtigen Handwerkern und Baumaterialien sowie der schnellen Abwicklung von Formalitäten.
Sie ließ sich ihre Zelle direkt neben der Kapelle errichten, ein kleiner Luxus, auf den sie sich unbändig freute. Hier würde sie ungestört beten können. In der Nähe entstand gleichzeitig ein Oratorium, in dem die gemeinsamen Gottesdienste abgehalten werden sollten.
Inzwischen war auch der Bote aus Arles zurück und hatte eine Kopie der „Regel für die gottgeweihten Jungfrauen“ des Mönches Caesarius gebracht, die sie seit Tagen schon jeden Abend mit Agnes gemeinsam studierte. Viele der Paragraphen erschienen ihnen selbstverständlich, wie der völlige Verzicht auf persönliche Dinge, einfache Betten, Verzicht auf Schmuck und Bilder in den Räumen, das gemeinschaftliche Gebet, die Ernährung ohne Fleisch und das häufige Fasten. Beide begrüßten sie den Wert, den die Regeln auf die Bildung der Nonnen legten. So sollten die Schwestern zwischen sechs und acht Uhr früh in ihrer Zelle lesen, danach las eine von ihnen vor, während die anderen arbeiteten. Auch während der Mahlzeiten sollte vorgelesen werden.
Neu war im Gegensatz zu Saix, dass keine Kinder im Kloster aufgenommen oder unterrichtet werden durften, auch gab es keinen Zutritt für Männer, es sei denn es handelte sich um einen Geistlichen.
„Wir werden keine Knechte haben dürfen!“, schlussfolgerte Agnes. „Das wird schwierig, einige Arbeiten sind für Frauen beinahe unmöglich.“
„Du vergisst, dass diese Regel nur für das Innere des Klosters gilt! Im Außenbereich werden wir auch weiterhin Vieh haben, Kühe und Ziegen auf alle Fälle wegen der Milch. Ein paar Pferde vielleicht, zum Reiten. So kommen wir auch mit wenig Knechten aus.“
„Aber in einem großen Garten können wir unser eigenes Gemüse anbauen! Kräuterbeete, Beerensträucher, ein paar Obstbäume dürften kein Problem sein“, überlegte Agnes.
„Und Blumen! Viele Blumen für den Altar!“ Ihr Gesicht rötete sich vor Freude.
Agnes nickte. „Es ist traurig, dass wir nicht mehr mit Kindern arbeiten dürfen! Wir hatten doch viel Spaß mit ihnen, besonders in Athies!“
Radegunde blickte auf. „Vergiss nicht, dass du die Äbtissin sein wirst! Du kannst die Regeln ändern, wenn du willst! Sie sollten für uns Anregung sein, mehr nicht.“
Agnes hob die Augenbrauen. „Ich muss mich wohl langsam an den Gedanken gewöhnen.“
Auf ihrem Weg zur Baustelle hörte Radegunde kurz vor der Sankt-Martins-Kirche lautes Geschrei und Hufschläge von sehr schnellen Pferden. Erschrocken sprang sie beiseite und drückte sich in eine Mauernische. Keine Sekunde zu früh, denn unmittelbar danach preschten aus einer Seitenstraße Reiter heran. Zunächst ein einzelner, der seinem Pferd die Sporen gab und sich immer wieder umsah. Vor der Kirche zügelte er das Tier so abrupt, dass es aufschrie und stieg. Der Mann war in Rüstung, trug auch einen Helm, doch sein Gesicht war ungeschützt, und sie erkannte ihn sofort. Es war Herzog Austrapius, der Stadtherr von Tours. Er sprang aus dem Sattel und stürzte die wenigen Treppen zur Kirchentür hinauf. Im selben Moment ritten seine Verfolger im scharfen Galopp um die Ecke. Einer der ersten wirbelte eine Streitaxt über dem Kopf und warf. Sie krachte ins Holz der Kirchentür, das splitterte, und blieb dort stecken. Doch der Herzog war bereits verschwunden.
Unschlüssig ließen die Soldaten die Zügel locker. Einige von ihnen hatten leichte Verletzungen, sie kamen offensichtlich von einem Kampf. Die Pferde tänzelten vor der Kirche hin und her. Sie waren schmutzig und wirkten erschöpft, offenbar hatten sie einen anstrengenden Weg hinter sich. Ohne zu überlegen, trat Radegunde aus ihrer Nische und ging auf die Treppe zu. Die Soldaten mussten sie für eine Nonne halten, die zum Gebet ging.
Der Anführer trieb sein Pferd auf
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