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Radegunde von Thueringen

Radegunde von Thueringen

Titel: Radegunde von Thueringen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Simone Knodel
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sie zu. Er hatte einen Schwerthieb auf der Stirn, der höchstens einen Tag alt war. An den Rändern begann die Wunde bereits Schorf zu bilden. „Bleib lieber fern, fromme Frau. Wir werden dort drinnen gleich einen Gefangenen machen.“
    Sie schlug bedächtig ein Kreuz und sah den Mann ernst an. „Ihr werdet nicht mit Gewalt in ein Gotteshaus eindringen! Wer immer dort drin ist, steht unter dem Schutz des Herrn. Wollt ihr euren Seelenfrieden aufs Spiel setzen?“
    Ihre eindringlichen Worte zeigten Wirkung. Hinter dem Hauptmann begannen die Männer zu murmeln. Unschlüssig sah er sich um. Er blickte in abweisende und furchtsame Mienen. „Was ist?“, rief er. „Fürchtet ihr euch vor einer Nonne?“
    „Nein, Herr, aber die Frau hat Recht. In eine Kirche einzubrechen ist Sünde!“ Einer seiner Leute wagte den Widerspruch, die anderen nickten beifällig.
    „Also gut, dann reiten wir zurück. Aber ihr werdet es Chramn erklären!“ Er versetzte dem Pferd des Herzogs einen wütenden Tritt in den Hintern, wendete sein eigenes Tier und sprengte davon. Die anderen folgten ihm erleichtert.
    Vorsichtig öffnete Radegunde die Kirchentür und spähte hinein. „Herzog? Ich bin es, Radegunde. Habt keine Sorge, die Reiter sind weg.“
    Hinter dem Altar raschelte es. Der Herzog kam ihr mit hochrotem Gesicht entgegen. In seinen wasserblauen Augen stand noch immer Panik. Er war ein großer Mann um die vierzig, der auch zu kämpfen wusste. Sein rechter Arm war verletzt, das Blut auf seinem Gewand allerdings schon trocken. Er verneigte sich hastig. „Herrin, ich glaube, Euch schickt der Himmel!“
    „Nun, es scheint tatsächlich, als sei Gottes helfende Hand im Spiel. Ich war auf dem Weg zur Baustelle, als ich Euch in die Kirche fliehen sah. Was ist mit Eurem Arm?“
    Er winkte ab. „Das ist nur ein Kratzer.“
    „Was ist passiert?“
    „Ihr wisst, dass Chlothars Sohn Chramn seit einigen Wochen Probleme macht. Er hat sich mit seinem Onkel Childebert verbündet.“
    Sie nickte. „Ja, soviel ich weiß, musste Chlothar ins Rheinland aufbrechen, um die von Childebert aufgewiegelten Sachsen zu vertreiben. Währenddessen hat Chramn versucht, Clermont zu erobern.“ Sie seufzte. „Sie haben Chlothar geschickt ausgetrickst.“
    „Doch der schickte seine Söhne Charibert und Guntchramn mit einem Heer zur Unterstützung nach Clermont. Chramn gelang es, seinen beiden Brüdern glaubhaft zu machen, Chlothar sei im Rheinland gefallen. Sie zogen ab. Chramn eroberte daraufhin die Stadt Chalon. Childebert wütet unterdessen in der Champagne. Er soll bereits bis Reims vorgedrungen sein.“
    „Gott steh uns bei! Das Reich wird zerfallen!“ Sie war erschüttert, so schlecht hatte es noch nie um Chlothars Macht gestanden. In ihrem Bestreben um das neue Kloster hatte sie sich nicht um neue Nachrichten bemüht.
    Der Herzog fuhr fort: „Gestern nun fiel Chramn mit seinem Heer in Tours ein. Ich stellte mich ihm mit meinen Leuten entgegen, wir hatten keine Chance. In der Nacht floh ich, doch sie fanden meine Spur und folgten mir bis hierher.“ Niedergeschlagen setzte er sich auf die Stufe vor dem Altar. „Auch Ihr seid in Gefahr, meine Königin! Ihr solltet Vorkehrungen treffen!“
    Radegunde lachte. „Die habe ich schon getroffen, als ich mich in Gottes Hand begab. Ihm werde ich vertrauen.“
    Der Herzog wiegte den Kopf. „Hoffentlich genügt das. Chramn gilt nicht als besonders gottesfürchtig.“
    „Aber hat Gott Euch nicht bereits geholfen? Ihr seid hier und Ihr lebt!“
    „Und er hat Euch geschickt!“, ergänzte der Herzog charmant.
    „Jetzt sehe ich mir erst mal Eure Wunde an! Ich muss sie säubern, sonst wird sie brandig.“
    In diesem Moment betrat ein kleiner kahlköpfiger Priester den Altarraum. Radegunde wies ihn an, den Herzog mit allem Nötigen zu versorgen. Sie selbst versprach, mit Salbe und Verbandszeug wiederzukommen.
    Da sie Chramns Unberechenbarkeit zu Genüge kannte, sorgte sie dafür, dass Herzog Austrapius ohne viel Aufsehen in einer kleinen Herberge am anderen Ende der Stadt untergebracht wurde. Dort konnte er in Ruhe seine Wunde ausheilen lassen.
    Im Dezember erkrankte Childebert schwer und starb am Tag vor Heiligabend. Chramn stand seinem Vater und seinen Halbbrüdern plötzlich allein gegenüber. Er gab seine Revolte auf und bat Chlothar um Vergebung. Austrapius kehrte nach Tours zurück.
Poitiers, 560 – 562
    In den Straßen der Stadt herrschte Festtagsstimmung. Die Häuser waren geschmückt mit grünen

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